Bei
dem Geburtstag meiner Oma kam wie immer die ganze Familie zusammen. Unsere
Familie trifft sich grundsätzlich zu jedem Geburtstag eines Familienangehörigen
und an Weihnachten.
Damals
nahm ich auch Matthias mit. Meine Tante Miriam war mittlerweile schon ein paar
Jahre mit Mike zusammen, der schon bei den Kissenschlachten mit den „Vipers“
damals vor einigen Jahren in Miriam´s Zimmer bei meiner Oma immer dabei war. Er
kannte mich also schon von klein auf. Die beiden hatten inzwischen geheiratet
und einen Sohn, nämlich Tim - meinen Cousin - bekommen. Leider hat Miriam in
der Schwangerschaft das Rauchen einfach nicht lassen können (und damit meine
ich Nikotin und Cannabis) und sie nahm auch noch einmal LSD in den ersten
Schwangerschaftswochen, als sie noch nicht wusste, dass sie schwanger war. Das
alles wirkte sich auf Tim natürlich aus. Er war mittlerweile ca. 1 ½ bis 2
Jahre alt und er hustete schon als Baby wie ein alter Raucher. Er hatte
leichtes Asthma und er litt auch an Hausstauballergie. Außerdem war er so ein
„Treibauf“ und da Miriam und Mike auch noch versuchten, ihn antiautoritär zu
erziehen, war Tim gerade mal 3 Jahre alt, als seine Mutter das erste Mal Angst
vor ihm bekam, weil er direkt zuschlug und unheimlich böse wurde, wenn ihm
irgendetwas nicht passte. War ja auch kein Wunder, da er Grenzen ja noch nie
kennengelernt hatte. Das wurde im Laufe der Jahre nicht besser und er wurde
immer größer und kräftiger… Er hatte wohl auch das ADHS-Syndrom (Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung), denke ich jetzt so im Nachhinein,
aber das wurde damals nie festgestellt. Jedenfalls war er das
unkontrollierbarste und unberechenbarste Kind, das ich je kennenlernte. Kindern
tut ein freier Wille eben nicht gut. Sie brauchen einfach gewisse Grenzen, um
normal in einer Gemeinschaft leben zu können. Und das sage ich, wobei Freiheit
für mich immer das wichtigste war und ist! Aber die damals in Mode kommende
antiautoritäre Erziehung hat noch keinem gut getan; das ist zumindest meine
Erfahrung. Und ich weiß auch, wie es ist, wenn man eine Scheiß-Kindheit hatte
und versucht, damit all seinen Blödsinn, den man veranstaltet, zu rechtfertigen.
Man denkt, dass man sowieso keine Chance im Leben hat, aber so einfach darf man
es sich nicht machen! Das weiß ich heute! Spätestens ab einem Alter von 20
Jahren ist man selbst verantwortlich für das, was man tut, auch wenn man keinen
optimalen Start ins Leben hatte! Ich glaube an so eine Aussage, die ich einmal
irgendwo aufgeschnappt habe, die da heißt: „Das Schicksal / Gott bürdet dir nur
die Last auf, die du auch tragen kannst!“
Jedenfalls
kamen bei dem Geburtstagsfest meiner Oma Matthias und mein Onkel Mike sehr
schnell ins Gespräch und entdeckten dabei, dass wir alle kifften und so machten
wir aus, dass Matthias und ich die kleine Familie bald bei ihnen zu Hause
besuchen würden. Das taten wir schließlich auch. Sie wohnten etwas alternativ
zusammen mit einem Freund, dem Helmut und seiner Familie in einem
2-Familien-Haus mit großem Garten in einem kleinen Dorf. Sie alle waren so um
die 30 Jahre alt und für uns – vor allem für mich – sehr alt. Wenn man 15 oder
16 Jahre alt ist, kommen einem alle Erwachsenen ziemlich alt vor…
Dementsprechend hatte ich auch Respekt vor ihnen. Es war immer sehr schön, wenn
wir sie besuchten. Manchmal waren auch Anna und Michi da, ein befreundetes
Pärchen von Miriam und Mike. Naja, Anna war schon immer die beste Freundin von
Miriam und ich kannte sie auch schon sehr lange und wusste, dass meine Oma
immer schimpfte, dass Anna Miriam zu sämtlichen Schandtaten anstiften würde. Wir
kochten und aßen also alle zusammen. Sie alle sahen wie Hippies aus, selbst Tim
hatte lange blonde Locken und mit seinen blauen Augen sah er wie ein kleiner
Engel aus. Aber das täuschte, denn eigentlich war er ein wahrer Teufelsbraten.
Er raste immer wild in der Wohnung oder im Garten herum und bekam als
Passiv-Raucher auch alles an Rauch ab, was seine Eltern und ihr Besuch so verqualmten…
Für seine Wildheit sprach auch, dass er sich seinen Arm brach, kurz nachdem er
laufen konnte, und so rannte er halt mit seinem Gips am Arm weiter. Sie alle
hatten immer viel zu erzählen aus vergangenen Drogen- und Rocker-Zeiten. Mike
saß auch schon einmal im Gefängnis, weil er den Supermarkt, in dem Miriam an
der Kasse arbeitete, überfallen hatte. Seit Tim auf der Welt war, trieben es
Miriam und vor allem Mike nicht mehr ganz so wild, aber dennoch kam Tim irgendwann
mal zu meiner Oma und erzählte da brühwarm, dass die Polizei mit Hunden bei
ihnen „zu Besuch“ war und alles durcheinander gebracht haben…
Ja,
Hausdurchsuchungen stehen in Bayern an der Tagesordnung. Besonders auf dem
Land! Da hat die Kripo nichts Besseres zu tun, als sich auf Kleinkriminelle und
arme Konsumenten zu konzentrieren, weil die Großdealer auf dem Land eher dünn
gesät sind. Nicht der idealste Wohnort für jemanden wie mich, der eigentlich
nur seine Drogen konsumieren wollte. Eigentlich war die Hausdurchsuchung bei
dem Nachbarn Helmut und seiner Familie, aber als die Polizisten feststellten,
dass Helmut eine Tüte voller LSD-Trips ins Klo zu schütten versuchte,
durchsuchten sie gleich die Wohnung von Mike und Miriam auch noch mit, weil sie
wussten, dass die beiden Familien gut miteinander befreundet waren. Die Polizei
kennt auf dem bayerischen Land so ziemlich alle Freundschafts- und
Bekanntschafts-Verhältnisse ihrer „Pappenheimer“. Das kommt vor allem auch davon,
dass es viele Spitzel gab, die sie regelmäßig informierten und so kannte die
Kripo so ziemlich jeden Drogenkonsumenten. Zum Glück fand die Polizei bei
Miriam und Mike nur etwas Haschisch. Trotzdem war es ein riesiges Gezeter!
Einestages
waren Matthias und ich bei Anna und Michi zu Besuch, wo auch Mike und Miriam
dabei waren. Michi hatte einen Braten gekocht und nach dem Essen genehmigten
wir uns eine Bong (Wasserpfeife). Ich habe vorher schon einmal eine kleine
Wasserpfeife geraucht, aber dieses Ding konnte man praktisch im Sitzen rauchen,
wenn man es auf den Boden stellte und auf einem Stuhl saß. Also, diese Bong war
mindestens 80 cm lang und entsprechend breit war das Rohr oben, so dass sehr
viel Rauch auf einmal inhaliert werden konnte. Wir rauchten das Teil und mich hat es so dermaßen weggebrettert,
dass ich mich erst einmal auf die Toilette zurückgezogen hatte. Als ich dort
eine Weile auf der Schüssel saß und dann wieder meine extrem enge Jeans
hochziehen wollte, bekam ich voll die Platzangst und keine Luft mehr. So zog
ich die enge Jeans kurzerhand aus und kam nur mit meinem langen Wollpulli, der
mir bis zu den Knien reichte, und meinen Stiefeln zurück. So fuhr ich mit
Matthias später auch nach Hause. Ich konnte mich um alles in der Welt nicht
mehr in diese Hose zwängen! Naja, nach dieser Wasserpfeife war ich definitiv
nicht mehr gesellschaftsfähig!
Als
es Frühling wurde, fuhren Matthias, ich, Miriam, Mike, Tim, Anna und Michi nach
Österreich auf die Hütte, die mein Onkel Josef schon seit Jahren gemietet
hatte. Mein Onkel wird eigentlich von jedem nur Sepp genannt und obwohl er
eigentlich ursprünglich aus der ehemaligen DDR stammte und erst im Alter von 14
Jahren nach Bayern kam, ist er durch und durch ein Bayer geworden. Er ist ein
richtiges Original und ohne seine bayerische Lederhose und die passenden
Woll-Strümpfe sieht man ihn eigentlich nie. Es war eine ganz einfache Hütte mit
Plumpsklo und ohne Elektrizität. Die Kühe standen direkt vor der Hütte und dem
kleinen eingezäunten Garten oder bei kaltem Wetter waren sie auch hinten in der
Hütte im Stall. Dann musste man sich – auch nachts mit der Taschenlampe – erst
einmal den Weg durch die schlafenden Kühe bahnen, um auf´s Klo zu kommen.
Gekocht und gleichzeitig geheizt wurde mit einem großen Holzofen und deshalb
war das Holzhacken immer ein notwendiges Übel - für andere, denn für mich war
es schon immer eher ein Hobby! Schon als ich noch klein war, fuhren wir hier
rauf und ich rannte schon vor dem Frühstück erst einmal auf den Berg zum
Gipfelkreuz hinauf, der gleich neben der Hütte steht. Später wurde das schon
schwieriger, denn schon im Alter von 16 Jahren merkte ich deutlich meine
Raucherei und ich war bei weitem nicht mehr so fit wie früher. Die Hütte war
sehr idyllisch gelegen und nicht nur in den Bergen lebte ich meine Liebe zur
Natur aus.
Die
Grenze in Österreich war auch immer eine Hürde. Manchmal nahmen die Grenzposten
ihre Arbeit schon sehr genau. So kam es auch, dass sie uns, als ich einmal mit
meinen Eltern vor einigen Jahren diese Grenze passierte, um zur Hütte zu
kommen, das ganze Auto zerlegten. Was sie genau suchten, wussten wir nicht,
aber als sie noch in die Koffer schauen wollten und fragten, ob wir da etwas
drin hätten, das verzollt werden müsste, meinte meine Mutter total genervt: „Zu
verzollen haben wir nichts, aber eine Pistole habe ich in meinem Koffer
dabei!“. Damit wurde die Durchsuchung natürlich noch intensiver. Gefunden haben
sie natürlich nichts, aber diese Art von „Humor“ meiner Mutter kommt bei der
Polizei meistens nicht so gut an… Trotzdem kann sie sich da einfach nicht
zusammenreißen und muss dann immer etwas unverschämt und vorlaut werden; so ist
sie eben. Obwohl das schon so ewig lange her ist (ich war damals vielleicht 8
Jahre alt), kann ich mich noch sehr gut daran erinnern, weil ich noch nie so
lange so intensiv an einer Grenze durchsucht wurde.
Auf der Hütte jedenfalls gingen Michi
und Anna im nahegelegenen Wald spazieren und fanden dort Pilze... Es waren
psychoaktive Pilze, dessen chemischer Wirkstoff „Psilocybin“ heißt und sie
wirken ähnlich wie LSD. Diese Pilze werden unter Drogenkonsumenten auch
„Magic Mushrooms“, „Mushrooms“, „Psilos“,
„Psylos“, „Zauberpilze“ oder „spitzköpfiger Kahlkopf“ genannt. Man bekommt
davon Halluzinationen und Sinnestäuschungen. Michi schnitt die Pilze auf und
würzte das Essen damit (Tim´s Essen wurde davon natürlich verschont). Ich habe
nicht allzu viel davon gegessen, weil ich mich nicht getraut habe und so habe
ich nur ansatzweise ein bisschen davon gemerkt. Jedenfalls war es allgemein ein
lustiger und sehr langer Abend! Am nächsten Tag aßen wir Haschisch, indem Anna
und Miriam das Haschisch erhitzten und es in kleinen Krümeln in einen Joghurt
oder mit Kaba vermischten. Das wirkte dann etwas stärker, als das Haschisch zu
rauchen. Alles in allem war es ein sehr schönes verlängertes Wochenende – und
sehr berauschend! Wir rauchten auch eine Erdpfeife in den Bergen und Tim saß
auf Matthias´ Schoß und durfte den Jeep über die Berge lenken! Mit dem Jeep
fuhren wir sowieso die Wiesen und Berge rauf und runter, sofern sie wegen der
Kühe nicht eingezäunt waren. Das war das ideale Gefährt für diese Gegend! Für
Tim war es auch ein sehr schönes Erlebnis, glaube ich. Er konnte da oben toben,
wie er wollte!
Es
war eine sehr schöne Zeit damals und das Band zwischen mir und Miriam wuchs. Aber
dennoch haben sie nicht alles richtig gemacht und schon zu der Zeit hatte ich
so meine Zweifel, vor allem was die Erziehung von Tim anging. Aber ich hätte
mir niemals herausgenommen, dass ich Kritik übe an Menschen, die schon 10 oder
mehr Jahre auf dem Buckel hatten, als ich. Das war aber falsch. Ich sehe das
jetzt im Nachhinein so. Manchmal denkt man auch als älterer Mensch, der ein
Vorbild sein sollte, nicht so weit, wie man denken sollte und übersieht so
manche Folgen, die seine Handlungen einmal haben könnten…
Diese
Erfahrung, zu sehen, dass auch Erwachsene nicht automatisch alles richtig
machten, bestärkte mich schließlich darin, meine Meinung und Einstellung zukünftig
auch vor älteren Menschen vertreten zu können.
Viele
Grüße, bis zum nächsten Mal,
Eure
Becky
© Drogenweltblog
2011
Sehr schön erzählt. Freue mich wie es weitergeht!!!
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