Eine
interessante Story über Drogen, Kriminalität, Familien-Dramen, Liebe, Verrat,
Beziehungen, andere Länder und der Wunsch nach Frieden und Freiheit
Am 26.5.1962 gegen 17.00 Uhr
erblickte ich im Bürgerhospital in Frankfurt am Main das Licht der Welt. Leider
waren die Umstände wenig erfreulich. Meine Mutter stammt aus einer angesehen
Frankfurter Kaufmannsfamilie und hatte sich mit einem Marokkaner, der hier
Urlaub machte, eingelassen. Er war kein Gastarbeiter, sondern kommt ebenfalls
aus einer sehr reichen und angesehenen Familie in Tanger. Hier noch einige
Eckdaten zu dem Lebenslauf meiner Mutter: Sie wurde während des zweiten
Weltkrieges geboren und ist in Frankfurt aufgewachsen. Meine Großeltern hatten
von ihren Eltern eine Sportgroßhandlung übernommen und diese über den Krieg
gerettet. Allerdings hat dann ein linker Prokurist waggonweise Waren
„umgeleitet“. Mein Großvater konnte aber einen großen Teil seines
Privatvermögens retten. Mein Onkel Peter wollte die Konkurs gegangene Firma
retten, aber das ist ihm leider nicht gelungen. Früher habe ich Peter häufig
für einen Luftikus gehalten aber ich habe gemerkt, dass er sehr viele
menschliche Qualitäten hat. Als ich zuletzt mit ihm Kontakt hatte, arbeitete er
bei AWD - Frankfurt. Ich fand ja schon immer, dass diese Firma einen recht sektenähnlichen
Charakter hat, aber wir haben ja Religionsfreiheit… Seine Frau und meine Mutter
konnten sich nie riechen und ich habe damals den Fehler gemacht, auf meine
Mutter zu hören. Meine Mutter war eben etwas frühreif und hatte sich auch schon
an ihren Klavierlehrer „vergriffen“, was meiner Großmutter so gar nicht passte.
Mein armer Vater wurde vor den Familienrat „zitiert“ und sollte da Rede und Antwort
stehen, wie er sich die Zukunft mit meiner Mutter vorstellt. Der arme Kerl
verließ fluchtartig das Land. Meine Mutter hatte eine „gute Freundin“, welche
ihr riet, mich zur Adoption freizugeben, damit sie sich ihre Zukunft nicht
versaut – es war damals Ende 1961. Lange Zeit konnte sich meine Mutter nicht
entscheiden und auch nach meiner Geburt wusste sie noch nicht, was sie wollte –
ein Glück, dass damals Abtreibungen verboten waren! Als ich meine Mutter
kennengelernt habe, wurde ich bei ihrer gesamten Familie herumgereicht und
durfte auch an ihren Partys teilnehmen, auf denen furchtbar wichtige Leute
waren. Heute haben wir keinerlei Kontakt mehr zueinander.
Als sich meine Mutter dann doch
endgültig für eine Adoption entschieden hatte, war ich etwa fünf Monate alt und
lag dann schließlich in einem Adoptionsheim. Zwei Bewerber-Pärchen kamen in die
engere Auswahl; ein amerikanisches Ehepaar und ein kinderloses deutsches Paar. Es
gibt ein Bild von mir als Kind mit zwei verbundenen Händen – Ich hatte innerhalb
von wenigen Tagen nacheinander mit beiden Händen immer absichtlich auf die heiße
Herdplatte gefasst, nur um so wenigstens etwas spüren zu können. Dadurch, dass
ich meine ersten Monate in diesem Adoptionsheim verbringen musste, habe ich das
sogenannte Urvertrauen nicht mit auf den Weg bekommen. Um einen bildlichen Vergleich
heranzuziehen: Wenn die Psyche eines normalen Menschen ein Garten ist, so war meine
eine Wüste mit Vulkanen. Nur durch die Zauberkunststücke guter Psychiater geht es
mir heute soweit ganz gut. Hätte es damals schon die Bewertungskriterien von
heute gegeben, dann wäre ich in den USA aufgewachsen. So aber kam es, dass ich
bei der deutschen Pflegefamilie aufgewachsen bin. Mein Pflegevater konnte
selber keine Kinder bekommen und sexuell kam er wohl auch nicht mit meiner
Pflegemutter klar. Jedenfalls gab es einige Seitensprünge. Sein Hobby war die
Jägerei und ich hatte dann die dankbare Aufgabe, die Tier abzuhäuten und
auszuweiden. Das hat auch gut zu meiner damaligen seelischen Situation gepasst…
Ich war hyperaktiv und
gewalttätig. Meine arme Adoptiv-Schwester hatte furchtbar unter mir zu leiden und
heute tut es mir selber weh, dass ich sie so übel behandelt habe. Schon in der
ersten Klasse musste ich in eine andere Klasse versetzt werden, weil meine
Lehrerin nicht mit mir zurecht kam. Ich war mal der Klassenclown und dann
wieder vorlaut oder gewalttätig – eben auffallen um jeden Preis! Bis heute habe
ich eine psychomotorische Störung; ich kann nicht richtig ruhig sitzen oder
stehen und mache damit meine Mitmenschen oft nervös und ärgerlich. Hätte mir
damals meine Adoptiv-Mutter das Ritalin (Wirkstoff:
Methylphenidat) gegeben, was mir der Arzt verordnet hatte, dann
wäre mein Leben ganz anders verlaufen. Aber sie wusste es eben besser, nur
musste ich den Preis dafür bezahlen und der war sehr hoch!
Die Studenten-Revolten, K1,
Vietnam, Baader-Meinhof und Drogen waren die Dinge, die mich in meiner Kindheit
in der Umgebung von Frankfurt begleitet haben. Der Kampf „rechts“ gegen „links“
wurde an den Schulen ausgetragen und häufiger waren die politischen Ansichten
wichtiger, als die schulischen Leistungen. Nur die internationale Schule in
Oberursel war dabei eine Ausnahme. Hier war der Mensch wichtig! Leider bin ich
von dieser Schule geflogen, weil ich mit dem Sohn des Transportation-Direktors
lange Finger gemacht hatte, aber so war ich halt damals, dennoch sollte die
Zeit an dieser Schule mein ganzes zukünftiges Leben bestimmen. Das erste Mal in
meinem Leben spürte ich so etwas wie Hoffnung und Zuneigung. Ich war mit meinem
Lehrer Mr. Miller auch häufig in meiner Freizeit unterwegs, z. B. im Opel-Zoo
in Kronberg oder im PX. Die Vorschriften in den Zoos waren damals auch noch
nicht so streng und ich durfte das Nilpferd am Maul kraulen. Meine Adoptiv-Mutter
war damit einverstanden, dass ich mit meinem Lehrer und seiner Freundin
unterwegs war. Mr. Miller´s Freundin war ebenfalls Lehrerin an der FIS, dieser
internationalen Schule. Einmal habe ich aber richtigen Mist gebaut mit der
freundlichen Unterstützung meiner Chemielehrerin. Sie hatte uns radioaktive
Laborproben mitgebracht und ich habe davon genascht! Als die Fußballweltmeisterschaft
in München stattgefunden hat, war ich dort mit meinem Vater. Das war das
einzige Fußballspiel (DDR gegen Ghana), das ich überhaupt in meinem Leben live
gesehen habe. Das erste bewusste Ereignis der Weltgeschichte, an die ich mich
erinnere, war die Mondlandung. Meine Großmutter, zu der ich inzwischen ein
enges Verhältnis hatte, war J. F. Kennedy- und Peter Scholl-Latour-Fan – etwas,
was auch ich verinnerlicht habe.
Außerdem hatte ich auch endlose
Gespräche mit dem Schulpsychologen. Ich war damals einfach froh, dass sich
jemand mit mir beschäftigt hat und so konnte ich auch häufig Klassenarbeiten
schwänzen. Später war das dann nicht mehr so einfach… Ich weiß nicht, ob meine
Drogenkarriere mit dem codein- und barbitursäurehaltigem Schlaf-Saft begonnen
hat, den mir mein Kinderarzt verschrieben hat, mit dem Arzneischränkchen meiner
Mutter oder mit dem Weinkeller meines Vaters; Drogen haben viele Gesichter! Die
Realität war für mich damals so unerträglich, dass mir jedes Mittel recht war,
um mich damit zu betäuben. Meine große Leidenschaft waren Aquarien, auch wenn ich
ständig mit den Algen zu kämpfen hatte. Egal, ob es ein Guppy für einige
Pfennige oder ein superteurer Zierfisch – diese Tiere haben es mir bis heute
angetan. Dann habe ich auch häufig Eidechsen, Feldhamster oder Kaulquappen
gefangen und leider häufig zu Tode gepflegt. Wildtiere sollten halt frei sein. Normalerweise
können Feldhamster (Schwarzbauchhamster) so groß werden wie Meerschweinchen,
aber sie beißen! In der Winterruhe kann man sie aber anfassen – da sind sie
friedlich. Meine erste Schallplatte war MFSB Philly Sound, meine erste
Zigarette Marlboro, mein erstes Hasch „grüner Türke“, mein erstes Heroin war
weiß (H4). Meine erste Freundin (damals 15) – ich war 17 – hatte rote Haare,
war Skorpion als Sternzeichen und sie war ein Einzelkind. Ihr Name war Ariane.
Wir haben uns gefetzt, dass empfindsame Gemüter sich die Ohren zugehalten
haben. Leider war sie in der Kiste nicht so temperamentvoll. Wir waren zusammen
mit meinen Eltern in einem schönen Ferienhaus am Atlantik und mit meinem Adoptiv-Vater
wollte ich ein Mittagessen angeln – so gab es Fischsuppe mit viel Wein und Weißbrot.
Die Treibjagten, an denen ich
häufiger als Treiber teilgenommen habe, waren teilweise lebensgefährlich. Die
Schützen haben oftmals gesoffen wie die Löcher und dann mit scharfer Munition
in der Gegend herumgeballert. Die Hasen hatten somit eigentlich die gleichen
Chancen zu überleben wie die Treiber selbst. Leider haben Schusswaffen auch in
meinem Leben eine gewisse Bedeutung gehabt. Ich wollte mich mit 13 Jahren mit
einer der Jagdwaffen meines Vaters erschießen, aber das Ding ist nicht
losgegangen. Ich hatte 20 Jahre selber eine 9 mm Pistole, aber bis auf eine
erschossene Verkehrsampel habe ich nie Unsinn mit dem Ding gemacht. Mit etwa 10
Jahren wollte ich mich auch aufhängen, weil ich mich nach der Ruhe des Todes
gesehnt habe, aber ersticken ist ausgesprochen unangenehm und so habe ich mich
an dem Seil, an dem ich gehangen habe, wieder hochgezogen bis ich den Ast des
Baumes wieder packen konnte. Meine ganze Kindheit war – im Nachhinein
betrachtet – schwarz in schwarz. Ich konnte mich über nichts freuen. Es war
auch nicht so, dass es in meiner Umgebung keine Menschen gegeben hätte, die es
gut mit mir gemeint hätten, aber ich war einfach nicht in der Lage, positive
Gefühle zu empfinden. Obendrein hatte ich auch eine lange Phase, in der ich auf
Typen gestanden bin. In meiner Zeit an der internationalen Schule habe ich
erlebt, was mit ungesicherten Waffen passieren kann. Ich hatte eine
Klassenkameradin – Jeanette, sie war blond und bildschön. Leider hat sie nur
bedingt englisch gesprochen und ich kein französisch. Jedenfalls hat sie eines
Tages in der Schule gefehlt. Unsere Lehrerin hat uns dann erklärt, was passiert
war. Jeanette´s kleiner Bruder war krank und ihr Hausarzt hatte einen
Hausbesuch bei ihnen gemacht. Aus Spaß hatte ihr kleiner Bruder eine Waffe von
der Wand genommen und auf den Arzt geschossen. Der Mann war auf der Stelle tot!
Freunde hatte ich nie; entweder bin ich zu egozentrisch oder zu anspruchsvoll –
vermutlich beides. Vereine waren auch nicht unbedingt meine Stärke. Meine Adoptiv-Mutter
meinte, ich solle Judo lernen – da bin ich dann aber rausgeflogen, weil ich den
Lehrer verhauen habe, bzw. ich habe bei ihm die gleichen fiesen Tricks benutzt,
wie er bei mir und das hat ihm nicht gepasst! Auch mit einem Fußballverein habe
ich es einmal versucht, aber die Maus, die im Halbdunkel über das Spielfeld
gerannt ist, fand ich viel interessanter, als den Ball – und das war´s dann
auch wieder.
In meiner Kindheit sind wir meistens
nach Bayern auf einen Bauernhof gefahren – aus Kostengründen. Meine Eltern
waren der Meinung, dass ich mich nicht entsprechend gut verhalten würde für ein
gutes Hotel – wie auch, mir hatte es ja niemand beigebracht. Mein Vater hatte
sich gerade als Unternehmensberater für Speditionen selbständig gemacht. Häufig
hatten wir das Haus abends voller Gäste. Als Kind fand ich das spannend und
habe versucht, von den Leuten Geld abzustauben. Ich war ja so süüüüß! Der Preis
dafür war, dass mein Vater oft wochenlang unterwegs war und meine Mutter war
einfach überfordert. Die „Bestrafungen“ waren häufig Sache meines Vaters. Er
war aber niemals brutal! Wenn ich mal wieder etwas angestellt hatte, hat mich
mein Alter häufig über´s Knie gelegt und mit einem Hausschlappen verhauen. Auch
wenn mir so etwas ins Haus stand, hatte ich niemals Angst – ich war häufig
einfach nur froh, wenn mein Vater wieder im Haus war. Nur zweimal ist er zu
weit gegangen; einmal hat er aus Wut zugeschlagen und ich bin mit dem Kopf
gegen die Heizung geknallt. Er war aber über sich selber erschrocken, was man
deutlich gemerkt hat und ihm hat das mehr weh getan, als mir meine Beule. Dann
hat er auch mal mit der Schrotflinte auf mich gezielt; aber da hatte ich ihn
auch ganz schön provoziert. Ich will meinen Pflegeeltern auch keine Vorwürfe
machen; sie waren eben einfach überfordert mit mir. Das einzige, was ich nicht
verstehe, ist, warum sie keine Hilfe angenommen haben. Meine kleine Schwester hatte
unendlich unter mir zu leiden. Ich begreife bis heute nicht, warum ich sie so
lange so gehasst habe. Gott sei Dank habe ich ihr niemals ernsthaft geschadet,
obwohl es einmal beinahe soweit gekommen wäre. Alles, was mit Staat zu tun
hatte, war für meine Adoptiv-Mutter suspekt; ich vermute, dass das mit ihrer
Kindheit im Dritten Reich zu tun hatte. Mein Adopiv-Vater hatte vor einigen
Jahren zwei Schlaganfälle und seither durchlebt er immer wieder die Schrecken
dieses Krieges.
Geld war für mich auch immer so
ein Problem. Von meinen Adoptiv-Eltern habe ich sehr viel davon bekommen, was
verhindert hat, dass ich selbständig geworden bin und meine Drogen konnte ich
so auch immer finanzieren. Allerdings musste ich deshalb auch keine Straftaten
begehen. Jedenfalls standen Geld und Leistung bei mir nie in einem ausgewogenen
Verhältnis. Was Macht bedeutet, habe ich gespürt, als ich einige Zeit Heroin
verkauft habe. Man kann Menschen Schmerzen zufügen oder dafür sorgen, dass sie
die entsprechende Dosis erhalten, um „normal“ weiterleben zu können. Natürlich
ist es meistens so gewesen, dass die Kunden kamen, kauften und gingen, aber mit
der Zeit habe ich die Leute besser kennengelernt und mit einigen davon habe ich
heute noch Kontakt. Eine meiner Kundinnen – Karin – ist die Tochter von einem
Bundestagsabgeordneten aus Bayern. Wenn ich sie heute in Frankfurt sehe, fallen
mir alle meine Sünden ein. Sie erzählt immer, wie wichtig ihr ihre Freiheit ist
und dann zieht sie an der Crackpfeife – Kommentar überflüssig! Sie hat zwei
Töchter von zwei verschiedenen Männern. Die zwei Väter sind ganz o.k. und mit
einem von beiden bin ich sogar befreundet. Er gibt es zwar nicht zu, aber ich
glaube, dass er immer noch an Karin hängt. Er heißt Stefan und leider ist auch
er heroinabhängig, aber er führt ein normales, geregeltes Leben, hat ein
schönes Haus und fährt einen großen Mercedes. Er arbeitet hart dafür und ich
hoffe, dass er bald eine neue Frau findet. Ich glaube, das wichtigste für einen
Drogenabhängigen ist es, Verantwortung zu übernehmen. So kann man lernen, an
und für andere zu denken und das ist der erste Schritt aus der Abhängigkeit.
Wenn man einem Mädchen das Kind wegnimmt, weil sie abhängig ist, verliert sie
auch noch den letzten Halt. Natürlich muss man auch das Wohl des Kindes
berücksichtigen, aber eine Mutter kann man nicht ersetzen! Ich habe Kinder
erlebt, die in einer absoluten Subkultur aufgewachsen sind und die waren nachher
die totalen Spießer – z.B. Yvonne und Ingo waren Bert´s Kinder. Als ich etwa 15
Jahre alt war, habe ich mit einer Nachbarin eine Kommune in Oberursel kennengelernt.
Hier gab es Drogen im Überfluss, einen Guru (Bert) und das Woodstock-Feeling.
Damals habe ich auch meinen Spitznamen bei der Polizei bekommen, der bis heute
in meinen Akten steht: „der Weinhändler“. Mit 15 Jahren musste ich wegen
häuslichen Auseinandersetzungen neun Monate in die Psychiatrie. In dieser Zeit
ist mein damaliger bester Freund Anton an einer Überdosis Heroin gestorben.
Mein Vater hatte – als
Abschreibungsfirma – eine Weinhandlung. Ich habe an die Leute jede Menge Wein
verkauft und vom Gewinn habe ich dann Haschisch geholt. Auch RAF–Leute haben sich
da herumgetrieben. Die RAF in Frankfurt hat auch in Oberursel eines ihrer
prominentesten Opfer erschießen lassen. Später kam dann noch die Sache mit
Herrhausen in Bad Homburg und die Knastsprengung in Weiterstadt. Herrhausen
hatte übrigens am Vortag seines Ablebens den Vorschlag gemacht, die
Entwicklungsländer auf einen Schlag zu entschulden, was Deutschland sofort zur
führenden Industrienation gemacht hätte. Er soll nach seiner Rede noch gesagt
haben, dass ihm die Luft zu bleihaltig wäre und deshalb wolle er gehen. Seine Fahrstrecke
wurde auch täglich kontrolliert. Es war also praktisch gar nicht möglich, dass
jemand zu dem angegeben Zeitpunkt die Bombe unter der Straße versteckt hat. Ein
Glück, dass es die RAF gab! Die RAF war ein Kind dieser Zeit und wer da welche
Interessen vertreten hat, wird hoffentlich eines Tages bekannt werden. Die RAF
hat jedenfalls innerhalb kürzester Zeit das erreicht, wovon unsere
Sicherheitsspezialisten nur träumen konnten. Der Staat hatte so die Vollmachten
bekommen, die ohne die RAF niemals
denkbar gewesen wären. Mein Anwalt war auch in die RAF Prozesse
verwickelt. Er hat heute mit einem ehemaligen Justizminister eine Gemeinschaftskanzlei.
Das erste Mal, als ich die
Weltgeschichte hautnah miterlebt habe, war am amerikanischen Militärflughafen
in Frankfurt. Es gibt da jedes Jahr einen Tag der offenen Tür. Da war ich mit
meiner damaligen Flamme Diana. Ich habe sie sehr lieb gehabt. Sie war nicht
sehr groß, blond und hatte noch etwas Babyspeck, obwohl sie knapp 18 Jahre alt war.
Mit ihr war ich vor Inge und nach Ariane zusammen. Wir waren auch mit ihren
Eltern mit dem Auto auf Elba, wo alles mit Napoleon zu tun hatte - sogar das
Mineralwasser. Bei gutem Wetter konnte man Korsika sehen, aber es ist Gott sei
Dank weit genug entfernt, um die politischen Spannungen abzuhalten, die es auf
Korsika gab. Nur die Feuer wüteten da öfter und das Makkia (Gestrüpp) brennt wie
Zunder. Es gibt aber wunderschöne Mineralien in den Steinbrüchen. Wenn man sich
die Mühe macht, dort nachzuschauen, dann kann man schöne Stücke umsonst mit
nach Hause nehmen. Jedenfalls waren wir an diesem sonnigen Tag auf der Airbase
und haben American Eiscreme geschleckt. Hier wurden dann die unterschiedlichsten
Jets ausgestellt und manchmal durfte man sogar probesitzen. Auch Formationsflüge
von Staffeln wurden gezeigt (bis Ramstein) und auch italienische und kanadische
Jets waren am Himmel. Als dann einige Jets aufeinander zugeflogen sind, hat
einer der Flieger angefangen, mit den Tragflächen zu wippen. Er ist dann aus
der Formation ausgebrochen und flog Richtung Waldstadion. Hinter einer
Baumgruppe konnte man dann nur noch einen Feuerball sehen. Später habe ich dann
aus den Nachrichten erfahren, dass das der Raketenantrieb des Schleudersitzes
war und nicht das Flugzeug. Die Maschine schlug einige hundert Meter neben dem Wäldchestaggelände
auf, wo die Frankfurter in Volksfeststimmung ihren „Frankfurter Feiertag“
(Wäldchestag) feierten. Dabei wurde ausgerechnet die Pfarrersfamilie aus dem
Bahnhofsviertel von dem Motor der Maschine erschlagen. Ob das Zufall war, weiß
ich nicht und ich will es auch gar nicht wissen! Jedenfalls wurde so einer als
einer der gefährlichsten Gegner des organisierten Verbrechens in Frankfurt
ausgeschaltet, der durch seinen Beruf zu viele Informationen erhalten hatte. Hiermit
meine ich insbesondere die Auswüchse des Drogenhandels; teilweise wurden sogar
Kinder von den Prostituierten für den Drogenhandel eingespannt, weil sie noch nicht
strafmündig waren. Eine Bekannte von mir, namens Tamara, hat so z. B. für einen
der Unterwelt-Bosse, Helmut Brandner, dem inzwischen ein ganzer Straßenzug
gehörte, dort Heroin verteilt. Brandner hatte später auch das erste Crack-Haus
in Frankfurt, ein Hotel. Hier hatten Dealer die Zimmer gemietet und jeder, der
das Hotel betreten wollte, musste an der Rezeption Geld bezahlen, um hinein zu
kommen. Dieses Geld ging dann zusammen mit den Mieteinnahmen an Brandner. Außerdem
war dieser Pfarrer auch ein scharfer Gegner der Startbahn „18 West“. Dass ich
diesen Flugzeugabsturz mit angesehen habe, hat mein ganzes späteres Leben
verändert. Seit dieser Zeit passierten Dinge in meinem Leben, die nur den Schluss
zulassen, dass das kein Unfall war. Dass ich überhaupt noch am Leben bin,
verstehe ich selber nicht so ganz.
Das erste Mal habe ich Heroin
geschenkt bekommen. Ich sollte für den „Guru“ Bert Haschisch einkaufen und bin
mit einem Kumpel (Lutz) bei einem Dealer an der Frankfurter Zeil gelandet. Der
Mann hieß Hermann und war aus Sachsen (was man deutlich gehört hat) und er hatte
mehrere Wohnungen. Seine Freundin hatte einen teuren Pelzmantel und seine
Drogen waren sehr billig. In der Wohnung stand auch eine Marmorstatue – ein
Engel - glaube ich. Vermutlich war der von einem Friedhof geklaut worden. Hermann
fehlte auch ein halber Finger. Er war aber nicht sonderlich intelligent und hatte
kurze Zeit später eine längere Gefängnisstrafe bekommen. Dafür hatte er aber
immerhin Stil, was man von den heutigen Drogenhändlern leider nur selten sagen
kann. Das Haschisch, welches ich von ihm gekauft habe, war zwar sehr billig,
aber es hat nichts getaugt. Lutz kam auf die Idee, das Zeug mit Hundemedizin zu
strecken. Das sah dann zwar ganz gut aus, aber es hat natürlich fürchterlich
geschmeckt, weil das Haschisch (Libanese) mit Fischmehl gestreckt war. Bert
hielt es zunächst für einen Schimmel-Afghanen. Er war damals mit Ursula
zusammen. Sie war etwa zwei Jahre älter als ich und Bert war damals schon Mitte
40. Ursula war jedoch ein Biest – aber darauf komme ich später zurück. Was aus
ihr geworden ist, weiß ich nicht, aber sie hat in Frankfurt studiert.
In der Kommune an der Hohemark
gab es auch noch den „roten Klaus“. Der Spitzname kam von seinen roten Haaren.
Er war damals, wie ich auch, Alkoholiker und mit einem Mädel aus Oberursel
zusammen. Ihr Vater war Direktor einer Bank. Zu dieser Zeit hatte ich auch das
erste Mal Kontakt mit der Polizei. Ich musste wegen irgendeiner Kleinigkeit zu
den Grünen und habe da etwas über die Hohemark erzählt. Zunächst gab es eine erfolglose
Hausdurchsuchung bei mir. Ich bin dann mit den Beamten ins Gespräch gekommen
und wollte denen einige Kilos zuschustern – das Ergebnis war eine Katastrophe für
beide Seiten und bei der Verhandlung hat mein Anwalt den Beamten Nazimethoden vorgeworfen.
Die Beamten haben mir fast leid getan, aber die hatten halt Mist gebaut. Das
Problem war einfach, dass die Beamten kein Vertrauen zu mir hatten und so kann
man halt nicht zusammenarbeiten. Etwa zur gleichen Zeit habe ich meine ersten
LSD–Trips genommen. Ich wollte für 20 DM Hasch am Stadtbad Mitte in Frankfurt
kaufen. Es gab aber nur LSD und davon hatte ich keine Ahnung. Man hat mir zwei
kleine rote „Mikros“ verkauft. Die Dinger waren etwa halb so groß wie
Feuersteine. Auf dem Heimweg habe ich dann beide in der Straßenbahn genommen.
Ich hatte einen Horrortrip, den ich mein Leben lang nicht vergessen werde.
Schließlich hat mich meine Adoptiv-Mutter ins Krankenhaus gefahren, wo ich Atosil (Wirkstoff: Promethazin)
bekommen habe und langsam ging es dann auch wieder besser. Heute bin ich der
Meinung, dass LSD in der Hand eines geschulten Psychologen oder Psychiaters ein
wertvolles Medikament sein kann. Während eines solchen Trips werden die Dinge
deutlich, die man ganz tief vergraben und verdrängt hat. Jedenfalls kann ich
nur davon abraten, mit dem Zeug herum zu experimentieren; ich habe genügend
Bekannte, die deswegen lebenslang psychiatrische Behandlung benötigen oder
sogar in der geschlossenen Psychiatrie leben.
Neben Alkohol und Hasch habe ich
auch jede Menge Psychopharmaka konsumiert, was mir zweimal fast das Leben
gekostet hat! Einmal habe ich absichtlich eine Überdosis genommen, um Schuss zu
machen. Der Arzt, Dr. Fink, hat mich aber in letzter Sekunde zurückgeholt. Es
war ein ganz eigenartiges Gefühl, aber ich war dann doch froh, überlebt zu
haben. Das zweite Mal habe ich ein Neuroleptikum
namens Dezentan genommen, ohne den „Waschzettel“ zu lesen. Am nächsten Morgen
hatte ich ganz schlimme Krämpfe. Mein Rücken hat sich durchgebogen und die
Schmerzen waren die schlimmsten, die ich jemals erlebt habe. Strychnin soll so
ähnlich wirken. Der Notarzt wusste zunächst nicht, was mit mir los war und ich
war kaum noch in der Lage, etwas zu erklären und ich habe erst gar nicht an das
Dezentan gedacht. Jedenfalls habe ich dann Valium gespritzt bekommen, das hat dann
geholfen. Danach kam ich ins Krankenhaus und nach der 5. Valium-Spritze bin ich
dann gegangen. Ich hatte ja selber noch massenweise Valium zuhause. Ein uralter
Arzt, bei dem ich auch autogenes Training gelernt habe, hatte die
Psychopharmaka kistenweise herumstehen und ich musste mich nur bedienen. Das
autogene Training mache ich heute noch. Es hilft mir zur Ruhe zu kommen.
Ich habe nicht gleich nach dem
ersten Mal weiter Heroin genommen. Jahrelang habe ich „nur“ Codein und Alkohol
konsumiert. Heroin war mir zu stark. Beim ersten Mal habe ich es geschnupft und
war fast zwei Tage lang platt. Das zweite Mal war dann etwa vier Jahre später.
Ich hatte damals schon meinen Führerschein und hatte in einer „Äppelwoi-Kneipe“
eine ganze Menge getrunken. Dann habe ich einen alten türkischen Schulkameraden
namens Mustafa getroffen, der ganz in der Nähe wohnte. Er hat mir meinen ersten
Schuss gesetzt und beinahe wäre es auch mein letzter gewesen. Mustafa dachte,
dass ich Heroin gewohnt wäre und hat dementsprechend viel für den Schuss
aufgekocht. Dann hatte ich auch noch eine ganze Menge getrunken. Mustafa hat
dann auch gleich gemerkt, dass es zu viel war, aber ich bin hart im Nehmen. Die
Nacht war stürmisch und es hat wie aus Eimern gegossen, als ich mit meinem
alten VW Käfer mit Tempo 30 die ca. 50 km nach Hause geschwebt bin. Mir fielen
ständig die Augen zu und ich dachte immer nur: “Bitte lieber Gott, lass mich
heil nach Hause kommen“. Das habe ich an dem Abend mit Gottes Hilfe auch noch
geschafft. Damals war ich noch nicht wirklich gläubig. Ich habe nur gebetet,
wenn es mir schlecht ging. Zu Gott habe ich erst später gefunden. Ich musste
erst noch viele Dinge begreifen, um zu verstehen, wie wichtig Gott in meinem
Leben ist. Leider kann ich hierzu auch niemandem Ratschläge geben. Gott spricht
mit leiser Stimme und jede(r) kann sie hören; wenn er (sie) es wirklich will.