Freitag, 9. September 2011

Becky - Endlich der erste Joint!

Am Ende der Suche oder der Anfang vom Ende?

Mit 13 Jahren war ich mit einem netten Jungen namens Robert zusammen, der auch in unserer Clique dabei war und nur ein paar Straßen von mir entfernt wohnte. Er war ein Jahr älter als ich und in dem Alter schon 1,92 m groß! Er hatte unter seiner Größe immer gelitten, weil er überall gleich auffiel, wenn er einen Raum betrat. Wir waren insgesamt drei Mal zusammen, erst einen Monat, dann drei Monate und danach nochmal ein Jahr und das war in diesem Alter eine echte Rarität. So galten wir als das Traumpaar schlechthin in unserer Clique und naja…, mit ihm hatte ich dann schließlich auch meine ersten sexuellen Erfahrungen.... Zum ersten Mal in meinem Leben gehörte ich zu einer großen Clique und hatte viele Freunde. Mit noch fünf Mädchen war ich sehr eng befreundet und wir trafen uns einmal die Woche in einer Kneipe zum Stammtisch. Einer meiner Spitznamen war damals „Dr. Sommer“, benannt nach dem Berater in der „Bravo“, weil ich mir immer von allen die Probleme und Sorgen anhörte und ich ständig versuchte, jedem zu helfen. Darin sah ich meine Lebensberechtigung, meine Bestimmung, den Sinn in meinem Leben; damit fühlte ich mich wohl und es fiel mir auch irgendwie total leicht, mich in andere Menschen hineinzuversetzen und ihnen Tipps zu geben in der ein oder anderen damals ausweglos erscheinenden Situation. Ich ging zum Beispiel auch mal mit meiner Freundin privat zu dem Rektor unserer Schule, um zu verhindern, dass der Hausmeister einen Verweis, den sie wegen Blau-Machens kassiert hatte, ihrem Vater dieses eine Mal persönlich übergibt, denn dann hätte dieser sie vermutlich tot geschlagen. Wenn die Briefe von der Schule mit der Post kamen, hat sie die immer abgefangen und die Unterschrift ihres Vaters gefälscht. Ich glaube, dass die Schule nicht eine einzige echte Unterschrift von ihrem Vater hatte. So schüchtern wie ich war, ist es mir wahnsinnig schwer gefallen, sie damals zum Rektor zu begleiten, denn ich mied fremde Menschen, wo es nur ging. Im Grunde mache ich das auch heute noch so. Aber für diese Freundschaft war ich bereit, über meinen Schatten zu springen. So ging es mir eigentlich gut, jedoch mit meinem eigenen Leben kam ich immer noch nicht klar. Die Pubertät und der Umstand, dass ich unglücklich verliebt war, hat mein Seelenheil nicht gerade verbessert.

Die allerersten Zigaretten rauchte ich heimlich nachts auf der Terrasse schon mit 10 Jahren - geklaut von meinen Eltern: „Lord“, die leichtesten Zigaretten damals von meiner Mutter und „Rothändle“ ohne Filter, zu der Zeit eine der stärksten Sorten, von meinem Vater. Damals kostete die Schachtel Zigaretten noch 2,00 DM (für die jüngeren Leser unter uns: Das war gerade mal ungefähr 1 Euro) und es waren auch noch über 20 Stück drin! Wahnsinn, das ist in 30 Jahren schon eine enorme Preissteigerung, wenn man bedenkt, dass die Schachtel jetzt 5,00 EUR (entspricht 10,00 DM!) kostet! Eine Freundin und ich hatten uns damals eine Schachtel „HB“ gekauft und nachdem wir beim Zelten in unserem Garten ein paar davon geraucht hatten, entschlossen wir uns, den Rest der Packung in eine Blechdose zu legen, diese in eine Plastiktüte einzuwickeln, um anschließend das Ganze an der Isar zu vergraben. Ungefähr ein halbes Jahr später haben wir unseren Schatz wieder ausgegraben und die Zigaretten waren ganz feucht und voller brauner Nikotin-Flecken. Außerdem waren in der Dose so eine Art Spinnweben drin. Wir haben sie dann nicht mehr geraucht und weggeworfen.

Mit 12 Jahren fing ich dann an, regelmäßig zu rauchen. In unserer großen Clique rauchte bereits die Mehrheit (die meisten waren ja auch älter als ich und meine Freundinnen) oder sie fingen auch gerade damit an. Wenn man Nikotin noch nicht gewöhnt ist, wird einem verdammt schwindelig davon! Diesen nikotinbedingten Schwindel nannten wir „Windstärke“ und rauchten immer heimlich auf einer abgelegenen Wiese im örtlichen Schwimmbad, wo wir von den Blicken der Nachbarn oder gar unserer Lehrer, geschützt waren. Die Schachtel „Marlboro“ kostete mittlerweile schon 3,00 DM, als ich richtig anfing zu rauchen und bald stieg ich auf die Marke „Camel“ um.

Modisch änderte ich gerade meinen Style von punkig zu hippiemäßig. Etwa zwei Jahre davor begab es sich, dass es eigentlich nur zwei Stile gab, zwischen denen man sich als Teenie entscheiden musste. Es gab da zum einen die Punker mit Nieten-Armbändern und -Gürtel auf Leoparden- oder gestreiften Hosen mit Sicherheitsnadeln, Ketten und durchlöcherte Klamotten (Netzstrumpfhosen, Jeans, T-Shirts, usw.). Damals konnte man sich noch keine kaputten Klamotten im Geschäft kaufen, sondern man musste warten, bis die Jeans endlich so abgewetzt war, dass sie von selbst Löcher bekam. Wenn es dann endlich so weit war, dann war das Loch aber leider garantiert an der falschen Stelle… Oder man schnitt die Löcher fein säuberlich selbst in seine Hosen, ebenso bleichte man auch seine Jeans mit Domestos, damit sie lauter weiße Streifen bekamen. Ebenfalls Pflicht waren Jeans- oder Lederjacken, am besten noch dekoriert mit Sticker (Buttons), welche vorzugsweise mit Statements versehen waren, wie „Why?“, „Kein Bock“, „No Future“, usw.. Dann gab es als zweite Möglichkeit schließlich noch die Popper mit ihren perfekten Outfits, Schulterpolster, bunte Farben, Marken-Klamotten („Boss“ und „Marco Polo“ sind mir besonders im Gedächtnis geblieben von meinen Mitschülern, denn ich selbst besaß nie so ein Marken-Teil), asymmetrische Haarschnitte und Pop/Wave-Musik. Also, von der Musik gefielen mir schon einige Songs, aber mit dem geschniegelten Aussehen der Popper konnte ich so gar nichts anfangen! Also lief ich eben eher punkig rum und meine langen Haare, die ich schon mein Leben lang so trage, konnte ich in alle meine Phasen integrieren - mit Locken, hoch-toupieren oder einfach irgendwie hochstecken. Tja, das waren eben die 80-iger Jahre.

Mein Freund Robert und ich machten wieder einmal Schluss (das letzte Mal), aber dennoch waren wir noch befreundet. Wir machten mit unserer Clique ja noch sämtlichen Blödsinn! Vor allem nachts im Sommer, wenn unsere Eltern schliefen und wir uns aus unseren Zimmern schlichen und die ganze Nacht in Gärten einbrachen, Gartentore aushängten, zu Silvester auch mal Briefkästen mit China-Böllern in die Luft jagten und wilde Partys im Keller eines Kumpels feierten. Wir hörten Musik von ACDC, Kiss, Mötley Crue, Black Sabbath und Saxon, usw.. Auf Rockmusik stand ich schon immer, obwohl ich durch meinen Vater auch die Beatles zu lieben gelernt habe. Für mich ist Musik so etwas Wunderbares und Komplexes, dass ich mich gar nicht auf eine bestimmte Richtung festlegen kann, weil mich von allem etwas anspricht. Ich mag beispielsweise auch ein paar Klassik-Stücke...

Damals waren wir auch oft in einem Abbruchhaus, in das man im Hof durch ein kaputtes Fenster einsteigen konnte. Dort stand z.B. an der Wand geschrieben: "Täglich fit durch 2 Gramm Shit", usw.. Diese Sprüche inspirierten mich und meine mittlerweile beste Freundin Sabrina und wir reimten so einige andere Sätze, die dann kurze Zeit später auf meinem Schul-Koffer prangerten, wie z.B.: "Nach Amsterdam man geht, wenn man die Welt nicht mehr versteht", "Das Gras, das auf der Wiese lebt, ist nicht das selbe, das man dreht" oder "Ich wär so gerne in Berlin, da gibt´s genügend Heroin".



Die Sauferei gehörte damals natürlich auch dazu, selbst wenn ich nicht wirklich oft mitgetrunken habe. Mal das ein oder andere Bier am Lagerfeuer oder in der Disko, das war´s dann aber auch schon. Ich wollte keinen Alkohol und dachte ja schon wegen meinem Vater, dass ich niemals eine Alkoholikerin werde! Ich war mir da so sicher und es war auch sehr lange so, aber ich sollte mich dabei letztendlich doch irren.

Jedenfalls erzählte mir Robert und zwei seiner besten Freunde eines Tages, dass sie mit seinem Nachbarn Matthias mit seinem Suzuki-Jeep unterwegs waren und mit ihm haben sie im Wald wohl auch Haschisch geraucht. Ich war ja immer noch auf der Suche nach irgendetwas, das meinen Suchtdruck stillen sollte. Ich wusste damals nicht, was Suchtdruck ist, aber genau den hatte ich, sehr stark sogar, vermutlich durch den Codein-Konsum in meiner Kindheit. Ich wollte unbedingt Drogen nehmen, bzw. erst einmal Haschisch rauchen. Klar, dass ich zu jener Zeit auch schon „Christiane F.“ gesehen habe und ich war mir sicher, dass aus mir niemals ein Junkie wird. Naja, ich hab mir so einiges vorgenommen, aber auch das ein oder andere eingehalten. Jedenfalls war ich richtig neidisch, dass Robert und unsere Freunde schon gehascht haben und ich nicht. Ich kannte in unserer Stadt jeden, der Drogen nahm, aber mit 13 hat mir keiner was gegeben (deshalb bin ich ja auf den Unsinn mit dem Tabletten-Nehmen und dem Kräuter-Rauchen gekommen). Es war wie ein ungeschriebenes Gesetz, dass keiner einem anderen Drogen gab, der noch nie zuvor was genommen hat und noch zu jung war. Egal, wie skrupellos manche Leute waren, aber daran hielt sich jeder. So gaben mir die Leute, die Drogen hatten, am Stammtisch in der Kneipe höchstens mal einen Wodka oder ein Bier aus, aber Illegales gab es nicht. So lernte mir Robert, wie man einen Joint „baute“ - natürlich nur mit Tabak. So konnte ich also schon einen Joint drehen, bevor ich jemals überhaupt an Haschisch gekommen war. Das vermeintliche Marihuana aus der Schule hat ja nicht gewirkt und ich hatte schon Sorge, dass ich immun dagegen sein würde (konnte ich ja seinerzeit nicht wissen, dass es sich bei meiner vermeintlich ersten Raucherfahrung nur um getrocknete Brennnessel vom Hessischen Bajuwaren gehandelt hatte).

Mittlerweile war ich fast 15 Jahre alt und so saß ich eines Tages nach dem Stammtisch noch alleine in der Stadt rum. Matthias drehte einige „Stadt-Runden“ mit seinem silbernen Jeep. Nach mehrmaligem Vorbeifahren hielt er an und fragte mich, ob ich mitkommen möchte. Ich stieg kurzerhand ein. Als er aus der Stadt rausfuhr, fragte er mich, ob ich „einen rauchen“ will und als ich das selbstverständlich freudig bejahte, meinte er, dass er sich dann mal ein stilles Plätzchen in einem Wald suchen will. Für ein paar Minuten bekam ich Panik und dachte, dass ich jetzt ganz allein mit einem fast fremden Mann in seinem Auto sitze und der will mit mir in einen einsamen Wald fahren und es dämmerte bereits… „Ganz toll, super gemacht!“ dachte ich bei mir. Wieso muss ich mich immer wieder in so gefährliche Situationen begeben? Das dachte ich auch immer dann, wenn ich per Anhalter irgendwo hin gefahren bin. Heute muss ich sagen, dass ich mehr Glück als Verstand hatte, dass mir bei meinen Aktionen nie etwas Ernstes passiert ist, aber trotzdem war es einfach wahnsinnig aufregend! Plötzlich hielt er irgendwo in der Pampa auf einer großen Wiese an, wo man ohne Jeep nicht hingekommen wäre. Aha. Er holte eine Unterlage aus dem Handschuhfach und sein Zigarettenpapier und dann neben dem Tabak noch ein kleines Stück Haschisch. Er baute den Joint und wir rauchten im Jeep in der Dämmerung. Es war ein warmer Sommerabend und wir waren nahe der Isar, deshalb waren tausende von Mücken im Auto und schließlich auch an mir. Die glühende Sonne spiegelte sich in der Isar und verschwand schließlich am Horizont. Ich rauchte und ich hatte mir definitiv umsonst Sorgen gemacht, es könnte bei mir nicht wirken! Es wirkte - und wie!!! Ich muss sagen, dass Haschisch nie mehr in meinem Leben so dermaßen rein gehauen hat, als damals das erste Mal! Ich merkte, wie die Mücken an meinen Armen und Beinen meine Adern anzapften, aber ich konnte mich beim besten Willen nicht bewegen, um sie zu verscheuchen. Vor uns in der Ferne stand ein Straßenschild und ich sah Millionen Dinge in diesem Schild. Alles verschwamm vor meinen Augen, aber meine Gedanken waren so klar wie nie zuvor, so hatte es den Anschein. Mein Geist schwebte über meinem Körper, so schien es und ich hatte jede Menge Gedanken in meinem Kopf. Matthias gab mir „Kitkat“ - dieses Schokoladen-Zeug, und als ich das gegessen hatte, wurde mir sauschlecht. Schließlich wanderte ich mit meinem Hippie-Fransen-Rock und meinem Stirnband übersät von Mückenstichen durch das hohe Gras. Matthias lachte und sagte, dass ich aussehe, wie so eine Verrückte in einem Film mit der Dämmerung, dem hohen Gras und dem aufsteigenden Nebel… Mir wurde immer schlechter und musste mich dann übergeben, was mir einigermaßen peinlich war. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Zum Glück nahm es meine Mutter nicht so genau mit den Heimkomm-Zeiten. Irgendwann fuhr er mich nach Hause und ich schlief unendlich gut und zufrieden ein.

Ja und was soll ich sagen, ab diesem Tag war ich mit Matthias liiert und wir waren über ein Jahr zusammen. Man muss wissen, dass Matthias ein herzensguter Mensch war, aber er hatte scheinbar unter seiner überlegenen und friedvollen Fassade doch so einige Hemmungen, dass er es nötig hatte, sich dadurch besser zu fühlen, indem er sich immer viel jüngere Freundinnen nahm, bei denen er das Sagen hatte und er lernte jeden Tag mindestens 20 neue Fremdwörter aus seinem Lexikon, damit er auch bei Gleichaltrigen mit Wissen glänzen konnte. Ich will nicht schlecht über ihn reden, aber diese Hemmungen hatte er damals wohl schon, nur habe ich das zu der Zeit noch lange nicht durchschaut… 

Viele Grüße,
Becky

© Drogenweltblog 2011

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