Hessischer Bajuware – Wie alles begann… Bier, Gras, Speed, XTC, Heroin, Codein
Es
war der schlimmste Entzug den ich jemals erlebte; jeder kalte Entzug ist locker
dagegen.
Aber
erst mal ganz zum Anfang: Als Jugendlicher war ich sehr sportlich, spielte
Fußball und Tennis, betrieb Leichtathletik und noch einiges mehr. In allen
Disziplinen war ich überdurchschnittlich gut. Ich wuchs in einem kleinen Dorf
mit 5.000 Einwohnern auf, in dem es zwei Cliquen gab. Die einen waren die
Sportler - hauptsächlich Fußball - wo nach einem Sieg auch schon mal gesoffen
wurde, aber sonst war bei denen alles in Ordnung. Die zweite „Fraktion“ waren
diejenigen, die sich täglich an verschiedenen Stammplätzen trafen, samt einem Kasten
Bier und Haschisch. Das waren die Coolen; das waren die, zu denen ich mich
hingezogen fühlte, obwohl ich in der anderen Gruppe sportlich wirklich
Anerkennung fand, aber das war mir egal. So lernte ich eines Tages einen Typen
kennen, der später mal mein bester Freund werden sollte. Er nahm mich mit und
führte mich in diese Gesellschaft ein. Ich war von Anfang an durch meine
lockere Art beliebt und akzeptiert.
Immer
öfter ließ ich das Fußballtraining sausen und traf mich mit meinen neuen
„Freunden“. Ich fing mit 14 Jahren an zu rauchen, wir tranken jeden Tag viel
Bier und irgendwann brachte jemand etwas Gras mit. Es wurde ein Joint gebaut,
der in der Runde kreiste. Ich spürte damals nicht viel davon, aber alleine das
Ritual war schon etwas Besonderes für mich. So lief das dann ca. zwei Jahre
lang. Mit 16 Jahren lernte einer meiner damaligen Freunde, Jörg, bei der Arbeit
einen sehr viel älteren Typen kennen, der mit Speed dealte. Die Qualität des
Stoffs von damals ist nicht mehr zu vergleichen mit dem heutigen Mist, der massentauglich
gestreckt ist.
Das
Speed wurde in kleinen Glasröhrchen verkauft, in welchen normalerweise diese
Aromen zum Backen verpackt waren. Das Gramm kostete 100 DM. Jörg kaufte ihm ein
Gramm davon ab und zeigte uns abends seine Errungenschaft. Wir waren zu sechst
im Zimmer eines Freundes und konsumierten es nasal. Nach etwa 30 Minuten trat
die Wirkung ein - wie ein Bombenschlag! Wir waren auf einmal alle total super
drauf! Glücksgefühle stellten sich ein und alle bekamen einen „Laber-Flash“
(Redezwang), wie ich ihn später nie mehr erlebt hatte. Wir waren das Zeug ja
noch nicht gewöhnt und die Qualität war hervorragend, da der Dealer das Zeug selber
direkt im Labor herstellte (das lag damals mitten in Oberbayern, in der Nähe
von Erding) und so reichte uns das Gramm für 24 Stunden. Wir redeten und
diskutierten bis spät in den Abend des nächsten Tages hinein.
Aus
heutiger Sicht würde ich sagen, dass dies einer von den Momenten war, warum ich
drogensüchtig wurde, denn meine Kindheit war schön und behütet und ich denke
heute noch gerne an diese Zeit zurück. Es war einfach nur Zufall, dass ich mich
für die falsche Clique entschied, in der härtere Drogen konsumiert wurden,
statt Fußball gespielt, trainiert und gelegentlich einmal gekifft wurde.
Uns
sechs Freunde, welche wir zusammen dieses Erlebnis teilten, verband ab diesem
Zeitpunkt etwas ganz Spezielles. Gleich am nächsten Wochenende kaufte Jörg für
jeden von uns ein Glasröhrchen mit einem Gramm Speed Inhalt. Das Ritual
verfestigte sich, wir diskutierten dieses Mal das ganze Wochenende durch, über
Gott und die Welt.
Nach
kurzer Zeit waren wir so süchtig nach dem Zeug, dass wir freitags Abend alle
auf heißen Kohlen saßen und warteten, bis Jörg endlich mit dem Stoff kam. Wäre
ja kein Problem gewesen, denn der Dealer war ja sein Arbeitskollege, aber Jörg
war schon immer der Unzuverlässigste in unserer Clique…
Das
ging nun etwa drei Monate so weiter bis mir der Konsum am Wochenende nicht mehr
reichte. Ich war damals in der Ausbildung und eine Line Speed nach dem Aufstehen
machte alles viel leichter und lockerer. So kam es, dass die meisten von uns
nun täglich Stoff zur Verfügung hatten. Ohne Speed ging ich nicht mehr aus dem
Haus. Anfangs
reichte ein Röhrchen mit einem Gramm die ganze Woche, schnell aber trat eine
Gewöhnung ein und es wurde mehr und mehr konsumiert. Da Jörg aber immer nur freitags
kaufen konnte, mussten wir uns etwas einfallen lassen. Als Auszubildender hat
man ja nicht allzu viel Geld für so etwas übrig. Aber das war mir damals piep-egal.
Es wurden dann halt am Freitag bereits 3, 4 und bald auch 5 Röhrchen gekauft,
so dass ich über die ganze Woche kam. Die psychische Sucht hatte sich nämlich
längst in mein Hirn gebrannt wie ein Brandzeichen auf einem Ochsen - nicht mehr
wegzubekommen!!!
Durch
die ganzen neuen Kontakte verlor ich nach und nach meine Sportfreunde. Dafür
aber lernte ich wöchentlich neue Drogenkonsumenten kennen. Es verlagerte sich
aus unserem Dorf in die nächstgrößere Stadt mit etwa 30.000 Einwohnern. Eines
Tages kam einer dieser neuen „Freunde“ zu mir, öffnete eine leere
Zigarettenschachtel und zeigte mir den Inhalt. Unregelmäßig geformte Kugeln von
einem Durchmesser von etwa 1cm., bräunliche Farbe, der Geruch süßlich. Ich
fragte ihn, was er denn da für ein Zeug hätte. Seine Antwort war: „Ecstasy“! - Ecstasy??? Das
hatte ich noch nie gehört, aber mir war sofort klar, es musste eine neue
synthetische Droge sein. Er erzählte mir, dass sein Kumpel Chemie im 3.
Semester studiert und ebenfalls auf Drogen steht. MDMA, so hieße der Stoff.
Heute weiß ich, dass es sich um 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin handelte,
und das in seiner reinsten Form und in den Kugeln so hoch dosiert, wie es heute
(wenn man überhaupt noch reine MDMA-Pillen bekommt) in 10 Stück enthalten ist. Eine
Kugel davon kostete damals um die 120 DM, sie wäre auch 500 DM wert gewesen,
wie ich später feststellen musste. Ich kaufte ihm 4 Kugeln davon ab und war
gespannt wie ein alter Regenschirm, wie die Dinger schließlich wirken würden.
Abends
traf ich mich mit meinem damals besten Freund Michael und wir gingen erst einmal
in unsere Stammkneipe, tranken ein paar Bier, nahmen ein paar Linien Speed, wie
es inzwischen üblich war. Dann zeigte ich ihm meine neue Errungenschaft. Damals,
im sehr jugendlichen Alter, hatten wir ja nur Erfahrungen mit Hasch, Gras und
eben Speed. MDMA, das war etwas ganz Neues, Unbekanntes und Spannendes. Nun,
wie sollten wir es einnehmen? Das war die Diskussion. Schließlich einigten wir
uns, je eine Kugel zu zerdrücken, sie waren sowieso nicht maschinell (wie
heute) gepresst, sondern handgerollt. Kleingehackt mit einer Rasierklinge
schnupften wir das Zeug und warteten gespannt auf das, was da kommen sollte. 20
Minuten, 40 Minuten, 1 Stunde, hmmmm…. Es kam nichts, keine Wirkung – überhaupt
nix! Na klar, verarscht hat er uns, der Wichser, da waren wir uns sicher und
haben uns tierisch aufgeregt. Kennt wohl jeder, der mal was mit Drogen zu tun
hatte und abgezockt und verarscht wurde oder ähnliches erlebt hat. Man ist
einfach verärgert! Na
ja, im Nachhinein möchte ich mich nach mehr als 20 Jahren für die bösen
Gedanken gegen ihn entschuldigen, er hat uns nämlich nicht abgezockt, er gab
uns das beste Ecstasy, das ich je in meinem Leben konsumierte. Nie wieder hatte
ich dieses Gefühl beim Einnehmen einer Droge, sei sie illegal oder legal!
1986
gab es noch keine „industrielle“ Massenproduktion von Ecstasy-Pillen, wie es
heute der Fall ist. Heutzutage weiß man ja auch nie, was für einen Wirkstoff
man in der Pille vorfindet; da kann alles drin sein. Deshalb wirkt auch jede
Pille etwas anders, je nach Wirkstoffdosis und Zusammenstellung.
Hans
hatte im Labor der Uni Zugang zu den reinsten Grundstoffen, welche benötigt
werden, um MDMA zu produzieren. Auch hatte er alle Gerätschaften bester
Qualität, die man braucht, um den Stoff zu synthetisieren. Wahrscheinlich hatten
sich seine Professoren an der Uni gefreut, dass er auch abends noch Versuche
für seine Diplomarbeit durchführt und ihn als Musterstudenten eingestuft ;-))
Nun
gut, als der erste Versuch, das Zeug zu schnupfen grandios fehlschlug, kamen
wir auf die Idee, das Ganze einfach mal oral zu uns zu nehmen. Hatten wir ja
auch schon oft mit Speed gemacht, was uns immer als die wirksamere Methode
vorkam. Also, rein mit der Kugel ins Limonaden-Glas und aufgelöst getrunken.
Nach etwa einer halben Stunde ging es los, es war bis heute das größte, tollste
und beste Drogenerlebnis, welches ich in 20 Jahren meiner späteren Sucht immer
wieder suchte und nie wieder mit keiner Substanz fand.
Im
nächsten Teil beschreibe ich, wie es binnen kurzer Zeit weiter ging Richtung
Heroin und Codein und - der Knaller überhaupt - mein erster Entzug von Codein! Damals
war das neu, ein Traum für jeden Süchtigen: im Tiefschlaf binnen 24 Stunden
clean! – Von wegen!!! Bis heute wird mit dieser Methode Geld gemacht auf Kosten
der Süchtigen.
Freut
euch drauf; es wird eine Horrorgeschichte!
HIER geht es zum 2. Teil der Geschichte und mein Erlebnis mit dem Narkose-Entzug.
Euer
hessischer Bajuware
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