Donnerstag, 12. Januar 2012

Becky - Der Anfang vom Ende: Der erste Kontakt mit Heroin und der Beginn einer 19-jährigen Beziehung

Die Sorge um meine drogensüchtigen Freunde, Neugierde und Resignation ließen mich selbst Heroin ausprobieren

Es war Sommer 1987 und ich hatte mit meinen 16 Jahren gerade die größte Enttäuschung hinter mir, die man sich vorstellen kann, weil mein Freund Matthias sich von mir getrennt hat, da er plötzlich mit meiner besten Freundin Sabrina zusammen war (siehe: Becky - Verrat, Betrug, Verlust und einschneidende Veränderungen führten letztendlich in den Drogensumpf). Meine Mutter war von ihrem neuen Freund schwanger und deshalb sehr verunsichert. Es ging alles drunter und drüber. Die Abschlussprüfungen in der Realschule hatte ich nun Gott sei Dank hinter mir und damit die Mittlere Reife in der Tasche. Bewerbungen hatte ich schon einige geschrieben, unter anderem auch eine an das Landratsamt in unserer Kreisstadt für einen Ausbildungsplatz als Verwaltungsfachangestellte. Auf diese Idee kam ich eigentlich nur, weil mein Opa dort Oberamtsrat war (aber mittlerweile schon einige Jahre in Pension) und auch dort sein Leben lang gearbeitet hat, worauf er sehr stolz war. Ursprünglich hätte auch mein Vater dort arbeiten sollen, aber der schmiss damals seine Ausbildung in der Handelsschule, wie es damals noch hieß, weil er – ganz zum Ärgernis meiner Großeltern – mit meiner Mutter zusammen kam und auf ein Ausbildungs-Gehalt keine Lust hatte und gleich richtig arbeiten und viel Geld verdienen wollte. Das nahmen ihm meine Großeltern noch immer übel und sie hassten meine Mutter auch deshalb. Obwohl meine Eltern bereits geschieden waren, fühlte ich mich irgendwie dazu verpflichtet, mich dort zu bewerben. Ich glaubte schon immer an das Schicksal und dachte, dass schon alles so geschehen wird, wie es für mich vorgesehen ist. Naja, um der Wahrheit die Ehre zu geben, tue ich mich schon mein Leben lang sehr schwer mit Entscheidungen und da liegt es nun mal nahe, das Schicksal für mich entscheiden zu lassen. Ich nenne es Schicksal, andere Zufall oder göttliche Fügung, aber darauf kommt es ja nicht an. Schließlich kam eines schönen Tages ein kleiner Brief vom Landratsamt mit einer Einladung zum Vorstellungsgespräch und ich bekam dort tatsächlich die Ausbildungsstelle. Im Grunde wollte ich damit meinen Großeltern und meinem Vater eine Freude machen, die bis dahin noch nichts von dieser Bewerbung wussten. Ich wollte nicht, dass mein Opa da womöglich seine Kontakte spielen lässt. Wenn es so sein sollte, dass ich dort eine Ausbildung mache, dann aus eigener Kraft, denn es sollte ja das Schicksal entscheiden. Tja, sie waren begeistert, dass ich jetzt in dieser Behörde meine Lehre absolvieren würde und irgendwie war es auch eine Genugtuung für meinen Vater, dass wenigstens seine Tochter in den Augen seiner Eltern kein Versager war. Meine Familie mütterlicherseits und auch ich waren zumindest darüber erleichtert, dass ich überhaupt eine Ausbildungsstelle bekommen habe. Dass der Job in einem Amt im öffentlichen Dienst zu meiner Persönlichkeit so überhaupt nicht passte, wurde mir erst später bewusst.

Zuerst standen nun aber erst einmal die Ferien an, bevor der Ernst des Lebens begann. Als ich mich wieder einmal allein in der Stadt herumtrieb, hörte ich plötzlich Gitarrenklänge an der Mariensäule, die sich in der Mitte unserer Stadt befindet. Auf der Treppe an dieser Säule saß ein Mann und spielte auf seiner Gitarre. Ich setzte mich dazu und wir kamen schließlich ins Gespräch. Er hieß Georg und hatte mit seinen Eltern in unserer Stadt einen Geflügelbetrieb, also eine Brüterei. Es stellte sich heraus, dass Georg auch kiffte und so gingen wir zur Mauer hinter der Kirche und rauchten erst einmal einen Joint zusammen. Wir verstanden uns auf Anhieb sehr gut und er hatte in vielen Dingen die gleiche Einstellung wie ich. Er war zwar fünf Jahre älter als ich, aber das störte überhaupt nicht. Er spielte noch etwas auf seiner Gitarre und wir verabredeten uns für den nächsten Tag. Von da an trafen wir uns regelmäßig. Ich besuchte ihn in der Brüterei und wir fuhren auch mal ins Kino, als dort „Hair“ lief! Ich konnte super mit Georg über alles reden und ich hatte das Gefühl, dass er mich versteht. Er erzählte mir, dass er ein Problem mit Heroin hat und dass er zwar noch nicht körperlich süchtig danach ist, aber er einfach nicht die Finger davon lassen kann. Außerdem hatte er auch dem Alkohol sehr zugesprochen und gelegentlich merkte man ihm schon an, dass er ein paar Bier zu viel erwischt hatte. 
Heroin
Ich fand es schade, dass so ein netter Kerl heroinsüchtig war und wollte ihm unbedingt irgendwie helfen, aber mehr, als ihm gut zuzureden und ihn abzulenken, konnte ich eigentlich ja auch nicht tun. Jedenfalls machte ich mir große Sorgen um ihn. In meiner Anwesenheit hat er aber nie Heroin konsumiert; wir haben nur immer zusammen gekifft. Ich sah Georg hauptsächlich als Freund, obwohl ich mir schon auch mehr vorstellen konnte. Offenbar wollte auch Georg mehr als nur Freundschaft von mir. Er war sehr witzig und manchmal hing an meinem Fahrrad ein Brief von ihm, in dem er beispielsweise seine Absichten in einer Art Partnerschaftsanzeige, wie sie in Zeitungen stehen, formulierte: „Hase sucht Häsin, mit der er sein Leben verbringen kann und die auch gerne mit in den Stall geht“. Da ich Ferien hatte und Geld brauchte, half ich ihm öfter dabei, die Brut-Maschinen zu säubern. Das sind so große Kästen mit Stahl-Streben und man konnte da nur hineinklettern, wenn man klein und sehr gelenkig war. So verdiente ich mir etwas Geld und konnte auch tagsüber Zeit mit ihm verbringen. Es war aber schon eine äußerst anstrengende und schmutzige Arbeit. Nach einer solchen Reinigungsaktion schnäuzte ich immer noch drei Tage lang diesen schwarzen Staub. Gesund ist sowas sicher nicht, aber die süßen Küken entschädigten dafür. Er hatte auch ein paar Puten, Perlhühner, Rebhühner und noch viel mehr an Vogel-Getier. Aus den Ställen sammelte ich immer die schönsten Federn ein, die ich mir dann in meine Haare einflocht. Es war eigentlich eine schöne Zeit mit Georg, aber er sagte mir immer deutlicher seine Absichten. Er mochte so bald wie möglich eine Partnerin, die ihm dann auch schnellstens einen Sohn schenken sollte, der dann später den Geflügelbetrieb übernehmen wird, so wie er es schon getan hat. Ich war gerade erst 16 Jahre alt und total überfordert mit einer so konkreten Zukunftsplanung. Außerdem habe ich mir als Kind schon immer vorgenommen, dass ich niemals heiraten würde und keine Kinder bekommen möchte. Beides habe ich übrigens bis heute eingehalten. Leider habe ich außer bei meinen Großeltern überhaupt keine Beispiele aus meinem Bekannten- und Verwandtenkreis, bei denen die Ehen gehalten hätten und so sah ich nicht viel Sinn in einer Heirat. Abgesehen davon war ich auch skeptisch, wie das mit Georg laufen würde, wenn er Kinder hat, weil er doch drogensüchtig war! Letztendlich sagte ich ihm, dass ich dazu nicht bereit war und damit waren die Fronten dann auch geklärt und wir waren eben nur Freunde. Außerdem finde ich es auch schrecklich, wenn man ein Kind bekommt, also einen Sohn, nur damit er später einmal den Familienbetrieb übernehmen soll. Wenn er nun Arzt oder Maurer werden möchte, dann käme das gar nicht in Frage. So ein Familienbetrieb und diese Tradition an sich ist schon etwas Schönes, aber es sollte nicht so ein Zwang dahinter stecken. Außerdem hat ja vielleicht auch eine Tochter Lust dazu, den Geflügelbetrieb zu übernehmen und die dürfte dann nicht, weil sich das eben für ein Mädchen nicht gehört. Das sind doch Einstellungen wie im Mittelalter! So viele Zwänge und Vorbestimmungen über noch nicht einmal geborene Leben wollte ich nicht akzeptieren. Tja, aber was soll ich sagen? Einige Monate später hatte Georg eine Freundin gefunden, die ihm dann im Laufe der nächsten Jahre erst drei Mädchen (!) geschenkt hatte, bis sie dann endlich einen Sohn bekam! Na Gott sei Dank ist dieser Kelch an mir vorüber gegangen! Naja, man kann im Grunde nicht sagen, ob es für mich nicht im Endeffekt besser gewesen wäre, wenn ich mich auf dieses „Abenteuer“ so früh eingelassen hätte. Zumindest wäre mein Leben ganz anders verlaufen, aber ich könnte heute nicht über meine Drogen-Erfahrungen schreiben, das steht fest. Trotzdem wäre ich unter diesen Voraussetzungen mit Sicherheit nicht glücklich geworden!

Die ganze Zeit über ging mir aber auch Stefan nicht aus dem Kopf. Er war ja quasi der Dealer von Matthias und seit der mit mir Schluss machte, habe ich auch Stefan nicht mehr getroffen. Ich fühlte mich schon immer zu Stefan hingezogen. Er wirkte so verwegen und wild mit seinen zweifarbigen Haaren (oben rot und unten schwarz bei glatten halblangen Haaren; „Vokuhila“ eben – damals sehr modern und ihm stand das auch sehr gut) und natürlich war er auch durch die Tatsache für mich interessant, da er mit Drogen aller Art zu tun hatte (was aber nicht der Hauptgrund war, ihn sehen zu wollen, nur ein praktischer Nebeneffekt). Für Drogen interessierte ich mich schon noch sehr; ich hatte nur ein Problem damit, wenn andere Menschen, an denen mir etwas lag, darunter litten. Den Drogenkonsum sah man Stefan allerdings auch schon an. Er war sehr dünn und hatte enorme Augenringe. Ich hatte schon immer eine Schwäche für die „bösen Jungs“, viel mehr als für die braven oder normalen Typen. Stefan hielt sich leider nie lange bei Matthias auf und war dauernd im Stress durch seine Drogengeschäfte, so dass ich eigentlich nicht wirklich viel über ihn wusste, nur die paar Geschichten, die mir sein Freund Harry erzählte (siehe: Becky – Verrat, Betrug, Verlust und einschneidende Veränderungen führten letztendlich in den Drogensumpf). Ich wollte Stefan unbedingt wieder treffen und so beschloss ich, ihn einfach einmal anzurufen. Damals gab es noch keine Handys. Ich wusste nur seinen Namen und dass er im Nachbardorf wohnte (in dem auch der Hessische Bajuware aufgewachsen ist). So wälzte ich das Telefonbuch und musste feststellen, dass es mit dem Nachnamen ganze fünf Einträge in dieser Ortschaft gab. So dachte ich wieder, dass doch das gute alte Schicksal entscheiden soll. Ich sah mir die Telefonnummern an und entschied mich aus dem Bauch heraus kurzerhand für eine der Nummern, welche ich dann mit zitternden Händen wählte. Ich war doch so schüchtern und sehr aufgeregt, weil ich gar nicht wusste, wie er wohl reagieren würde und ob er überhaupt etwas mit mir zu tun haben wollte. Plötzlich ging eine Frau ans Telefon und ich fragte einfach, ob Stefan da sei. Sie bejahte dies und rief ihn. Es stellte sich heraus, dass Stefan mit seinem Bruder Markus und seiner Mutter in einem Haus zusammen wohnten. So, das Schicksal hatte also wieder einmal gesprochen, dachte ich und war etwas erstaunt, dass sich mein Bauchgefühl auf Anhieb für die richtige Telefonnummer entschieden hatte. Es sollte also so sein, dass ich Stefan besser kennenlerne. Mir schnürte es fast die Kehle zu vor lauter Aufregung, als ich seine Stimme hörte. Ich erklärte, wer ich war - nämlich die Ex-Freundin von Matthias - und fragte ihn, ob wir uns mal treffen könnten, weil ich etwas zu rauchen bräuchte. Das war der beste Vorwand, der mir einfiel, um ihn wieder zu sehen und außerdem wollte ich ja tatsächlich was zu rauchen, was ich mittlerweile aber auch von anderen Leuten bekommen hätte können. Tja, jetzt musste ich selber für meine Drogen sorgen. Die Zeiten waren ja nun vorbei, in denen ich bei Matthias mitrauchen konnte. Stefan sagte sofort zu und wir verabredeten uns für den Nachmittag des nächsten Tages.

Er kam pünktlich mit seinem gelben BMW um die Ecke geschossen. Ich war sehr aufgeregt und stieg in sein Auto ein. Ich weiß noch, dass es ein schöner, sonniger Tag war und wir fuhren zu so einem kleinen Tunnel an der Amper am Stadtrand und er baute erstmal einen Joint für uns. Dann unterhielten wir uns lange und sehr gut über Gott und die Welt und hörten Musik. Im Gegensatz zu den sonstigen Treffen, bei denen ich ihn mit Matthias getroffen habe, weil er ihm Cannabis oder LSD verkaufte und er immer gleich wieder weg musste, nahm er sich dieses Mal sehr viel Zeit für mich. Wir fuhren etwas spazieren und dann parkte er in einem Wald, wo wir den nächsten Joint rauchten. Er hatte zu dieser Zeit sehr gutes Marihuana dabei und er baute immer von seinem Zeug und nicht von dem, welches er mir für meine 50,00 DM gegeben hatte. Natürlich erzählte ich ihm auch von der großen Enttäuschung mit Matthias und Sabrina und ich fühlte mich mehr und mehr zu ihm hingezogen. Eigentlich war ich schon sehr verknallt in ihn. Schließlich küssten wir uns im Auto, als auf einmal ein paar Spaziergänger des Weges kamen. Stefan fragte mich, ob ich Lust hätte, mit zu ihm nach Hause zu kommen. Ich wusste, worauf das hinaus laufen würde und bejahte dennoch seine Frage. Es waren Ferien und ich durfte ja schon mit 15 Jahren bei Matthias übernachten, wenn ich keine Schule hatte. Die Pille nahm ich ja auch schon seit einigen Monaten, nachdem ich die „Pille danach“ schlucken musste, weil das verdammte Kondom bei Matthias damals platzte. So musste ich auch nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt zuhause sein und solange ich meiner Mutter Bescheid sagte, dass ich nicht oder erst später nach Hause kam, war das für sie auch in Ordnung. So fuhren wir zu ihm und mittlerweile war es bereits Nacht geworden. Eigentlich war ich nie der Typ, der schon beim ersten Treffen quasi mit einem in die Kiste sprang (bis dahin hatte ich erst zwei feste Freunde gehabt und auch mit genau so vielen Menschen hatte ich bis dato auch Sex), aber ich wollte nichts falsch machen und dachte, dass ich ihm so wenigstens einmal nahe sein konnte. An eine feste Beziehung dachte ich eigentlich gar nicht, denn ich habe noch nie mitbekommen, dass er eine feste Freundin gehabt hätte und wusste, dass er eher ein paar lockere „Beziehungen“ zu einigen älteren (drogensüchtigen) Frauen pflegte. In seinem Zimmer stand nur eine Tischplatte auf ein paar Ziegelsteinen auf dem Boden und in der Ecke lag eine Matratze. Die Wände waren weiß und hellblau diagonal gestrichen und es hingen zwei kleine Dali-Bilder an den Wänden. Ansonsten war sein Zimmer ziemlich leer, bis auf einen Fernseher, der ebenfalls auf dem Boden stand und eine Stereoanlage. Seine Mutter war wohl nicht begeistert, dass er Besuch dabei hatte; das konnte ich in seinem Zimmer im ersten Stock hören, als er im Erdgeschoss kurz mit ihr gesprochen hatte, während er etwas zu trinken für uns holte. So unterhielten wir uns noch etwas, rauchten einen weiteren Joint und dann schliefen wir miteinander – drei mal hintereinander mit kurzen Pausen dazwischen! Diese Art von Sex hatte ich bisher noch nie erlebt! Genau genommen wusste ich bis dahin noch nicht einmal, dass Sex überhaupt öfter als einmal am Tag möglich war! Ich war also sehr zufrieden und glücklich, als Stefan mich dann gegen ca. 3:00 Uhr früh nach Hause fuhr. Ich gab ihm noch meine Telefonnummer und wir verabschiedeten uns mit einem Kuss. Erschöpft schlief ich ein und ich dachte das erste Mal nicht mehr an Matthias und Sabrina.

Zwei Tage später rief mich Stefan an und wir trafen uns dann immer öfter. Er holte mich gewöhnlich mit dem Auto bei mir zuhause ab und er weihte mich nach und nach auch immer mehr in seine Drogengeschäfte und seinen Konsum ein. Er verkaufte und nahm sehr viele LSD-Trips und er hatte auch schon des Öfteren Heroin geschnupft, erzählte er mir. Ich genoss die Zeit mit ihm und als ich eines Nachts bei ihm übernachtete, kamen früh morgens Chris und Harry bei ihm vorbei. Harry staunte nicht schlecht, als er mich plötzlich im Bett (bzw. auf der Matratze) von Stefan sah! Chris war zu der Zeit Stefan´s bester Freund und zwar kannte ich ihn bis dahin noch nicht persönlich, aber er war mir bereits vom Hörensagen als Drogendealer unserer Gegend wohl bekannt. Chris fuhr mich an diesem Morgen nach Hause mit seinem fetten Mercedes und er versuchte mit seiner rasanten Fahrweise sofort, bei mir Eindruck zu schinden. Chris war eben auch ein „böser Junge“ und da er einer der besten Freunde von Stefan war, habe ich auch versucht, so cool wie möglich zu bleiben.
Ich war sehr zufrieden damit, wie mein Privatleben damals verlief, denn es war für mich auch eine große Genugtuung Matthias gegenüber, dass ich kleines Licht jetzt auf einmal mit seinem ehemaligen Dealer befreundet war! Ja, ehemaliger Dealer deshalb, weil Stefan Matthias einige Zeit nicht mehr mit Drogen belieferte, wenn dieser bei ihm anrief. Das tat Stefan mir zuliebe, da er ja wusste, wie mies er mich behandelt hatte! Ha! Das war meine Art der Rache! Zum einen würde es Matthias und Sabrina sicher wundern, mit welchen Leuten ich nun unterwegs war (vor allem Sabrina, mit der ich noch vor einem Jahr verzweifelt versuchte, an Leute zu kommen, die uns was zu Rauchen geben würden) und zum anderen sollten sie sich ruhig auch etwas Gedanken (vielleicht auch Sorgen?) machen, da ich nun ja bei sämtlichen Drogen quasi an der Quelle saß! Zwar verkaufte Stefan damals hauptsächlich LSD und Cannabis, aber er selbst hatte ja auch schon oft Heroin genommen und er war auch mehr oder weniger süchtig danach. Damit wollte Stefan aufhören und zu meinem Erstaunen nahm er unsere Beziehung doch mittlerweile sehr ernst und wir waren dann tatsächlich zusammen! Er erzählte mir von seinen Ex-Geliebten, die teilweise viel älter waren als er und mit denen er nur lockere Affären hatte, weil sie zum Teil auch liiert waren. Diese Affären gab Stefan dann alle auf und so wurde ich junges Ding seine feste Freundin. Tja, niemals hätte ich damals gedacht, dass daraus eine Beziehung entstehen würde mit einigen Höhen und vielen Tiefen, welche 19 Jahre lang halten sollte und erst durch seinen Tod endete (was aber auch zum Teil mit meiner Unfähigkeit „Nein“ zu sagen zu tun hatte). Jedenfalls kam ich durch Stefan mit vielen seiner Kumpels in Kontakt, die auch alle älter waren als er selbst. Er war damals 19 Jahre alt und seine Kumpels so um die 25 oder auch älter. Wieder lernte ich also viele neue Leute kennen, eigentlich alle aus dem Dorf, die etwas mit Drogen zu tun hatten und das waren sehr viele; beinahe alle in unserer Generation. Also die Leute konsumierten damals alle „nur“ Cannabis, LSD und ganz selten mal Kokain. Heroin war zu der Zeit bei uns auf dem Land noch nicht so sehr verbreitet und so sah man den Menschen ihren jeweiligen Konsum nur selten an und dieser beeinträchtigte auch kaum deren Leben. Als mir aber klar wurde, dass ich mich nun mitten in die Drogenszene bei uns begeben habe und damit auch alles über Leute wusste, die teilweise schon Familie hatten und richtig gute Jobs, zum Teil auch mit viel Einfluss – kurz gesagt, die viel zu verlieren hatten - habe ich mir alles ganz bewusst überlegt. Ich wusste, dass ich nun auch auf der kriminellen Seite stand, obwohl ich mittlerweile im öffentlichen Dienst im Landratsamt arbeitete, bzw. lernte. So legte ich für mich einige Prinzipien fest, die ich immer eingehalten habe! Man kann also nicht wirklich sagen, dass ich in diese Szene hineingeschlittert wäre. Mir war das alles sehr bewusst und so nahm ich mir folgendes fest vor:  
  • Niemals soll ein anderer Mensch darunter leiden, dass ich Drogen nehme (hmm, sobald die Familie davon erfährt, ist das leider nicht mehr möglich, aber daran dachte ich damals noch nicht) 
  • Niemals werde ich jemanden bestehlen oder betrügen, um an Drogen zu kommen 
  • Unter allen Umständen werde ich meinen Grundsätzen immer treu bleiben 
  • Niemals werde ich irgendeinen Menschen bei der Polizei oder sonst irgendwo verraten, egal unter welchen Umständen (was ich auch immer eingehalten habe, selbst bei denen, die mich später verraten haben, aber für mich ist das eben Charaktersache…)! 
  • Niemals werde ich mir Drogen spritzen und von Tabletten werde ich auch immer Abstand nehmen
Da Stefan Drogen besorgen konnte, war er bei allen sehr beliebt und gern gesehen. So wurden wir auch zu allen Festen eingeladen und viele kamen täglich zu Besuch zu ihm, was seiner Mutter überhaupt nicht gefiel, da sie auch wusste, dass Stefan mit Drogen zu tun hatte. Mich hingegen mochte seine Mutter sehr, denn ich war noch jung und unschuldig und viel anständiger, als die älteren Frauen, die er sonst früher mit nach Hause nahm und die beim Sex das ganze Haus zusammenschrieen, wie ich mir sagen ließ. Immer öfter schlief ich bei Stefan und bekam auf der kleinen Matratze mit, dass er jede Nacht total schwitzte und sehr unruhig schlief, wenn er überhaupt schlafen konnte. Morgens kotzte er immer zuerst Galle, wenn er aufwachte. Das waren die Entzugserscheinungen, die er wegen dem Heroin hatte und er versuchte, diese durch das Rauchen von jeder Menge Haschisch zu kompensieren. Damals sah ich zum ersten Mal in meinem Leben ein ganzes 250-Gramm-Ei Haschisch; der sogenannte „Eier-Shit“. Es war ein ovales, ungefähr 4 cm hohes Stück Haschisch, außen braun und innen gelblich, wenn man es aufschnitt. Es war richtig gutes Dope. Da Stefan noch nicht allzu lange Heroin genommen hatte, waren die Entzugserscheinungen auszuhalten und ich unterstützte ihn, so gut ich konnte! Das Pärchen, von denen er früher das Heroin bekam, war ca. 10 Jahre älter als er und mit der Frau hatte er auch ein Verhältnis. Das Paar wohnte in der gleichen Straße wie ich und die beiden sahen auch wie richtige Junkies aus. Sie hatte gerade erst eine Gelbsucht überstanden und es kam auch vor, dass das Heroin, welches die sich wiederum in München besorgten, schon auch mal mit Strychnin gestreckt war. Stefan vertraute mir total und erzählte mir alles davon, damit ich ihn auch besser verstand, wenn er mal nicht so gut drauf war. Das alles kam meinem Helfer-Syndrom, das ich ohne Zweifel hatte (Stichwort: „Doktor Sommer“), sehr entgegen. Das ging bestimmt zwei Monate so, dass er diesen Entzug hatte, aber dennoch arbeitete er weiterhin tapfer als Kfz-Mechaniker, was er auch gelernt hatte. Bei seinem Chef in der Werkstatt wurde aber immer total viel gesoffen und ich hasste es, wenn er halbwegs betrunken von der Arbeit nach Hause kam, um mich abzuholen. Er versuchte sich auch diesbezüglich zusammenzureißen und so schränkte er auch die Sauftouren mit seinen Freunden Hans und Robert total ein. Die beiden Brüder (siehe: Süchtiger Idiot zeigt missglückten Drogendeal an, was Jahre später passierte) waren ebenfalls viel älter als Stefan und auch schon ewig lang mit ihm befreundet. Mit ihnen hatte er vor vielen Jahren seine ersten Joints geraucht und mittlerweile waren sie zu seinen besten Kunden geworden.

Meine Mutter war mittlerweile schon hochschwanger, als Stefan im Februar am Aschermittwoch 1988 nach der Arbeit bei mir zuhause war. Meine Ma rief mich zu sich und sagte mir, dass es nun wohl so weit sei und sie noch ein Bad nehmen möchte. Ich sollte in der Zwischenzeit schon mal meine Tante Elisabeth anrufen, damit diese und ihr damaliger Freund Georg sie dann so in einer halben Stunde ins Krankenhaus in die nächstgrößere Stadt fahren sollten. Als Stefan mitbekam, was jetzt hier abging, verabschiedete er sich sehr schnell und ich tat, was mir aufgetragen wurde. Zum Glück standen Elisabeth und Georg schon 10 Minuten später vor der Türe, denn aus dem Bad fing meine Mutter bereits zu schreien an. Die Wehen hatten also eingesetzt (was ein warmes Bad auch unterstützt, wie ich heute weiß). Man muss wissen, dass meine Mutter nie zu Schwangerschaftskursen oder so etwas gegangen ist, weder bei mir, noch bei Sarah. Sie meidet Ärzte und alle verwandten Institutionen sowieso wie der Teufel das Weihwasser und was Schmerzen angeht, ist sie alles andere als wehleidig. Wer meine Mutter kennt, der wusste, dass es nun höchste Zeit war, wenn sie schon sagt, meine Tante soll in einer halben Stunde kommen! Wir fuhren sofort los. Georg war bei der freiwilligen Feuerwehr tätig und dadurch schnelles Fahren gewöhnt und so fuhr er auf der Bundesstraße mit 170 km/h in die Klinik der nächstgrößeren Stadt, in der auch ich einst geboren wurde. In das Krankenhaus unserer Stadt wollte meine Mutter partout nicht, aber das war auch verständlich, wenn man den Ruf dieser Klinik kannte… Wir rasten also über rote Ampeln die 20 km in die Klinik und meine Ma schrie im Auto und drückte meine Hand. Ich saß mit Elisabeth auf dem Rücksitz und wir sahen uns immer wieder ängstlich an und hofften nur, dass wir noch rechtzeitig im Krankenhaus ankommen würden. Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen wir dort an und während Elisabeth und Georg schon voraus liefen, stützte sich meine Mutter auf mich und wir gingen langsam hinein. Meine Mutter krümmte sich vor Schmerzen und ihr schmerzverzerrtes Gesicht verriet mir auch, dass sie Angst hatte. Rudi, ihr Freund, war auf seinem Bauernhof in Hessen und wusste noch nichts davon, dass seine erste Vaterschaft nun unweigerlich bevorstand. Kunststück, es ging ja auch alles rasend schnell! Wir konnten noch nicht einmal meiner Oma Bescheid sagen, so knapp war die Zeit! Als wir am Empfang in der Klinik kurz nach sieben Uhr abends ankamen, sagte ich der Schwester, dass meine Mutter ein Kind bekommt – und zwar jetzt! Sie hatte die Ruhe weg, lächelte mich wissend an und führte uns in ein nahegelegenes Zimmer. Dort sollte sich meine Mutter auf eine Trage legen und ein Arzt würde bald kommen. Ich blieb allein bei meiner Ma und sie sagte mir ungefähr drei Minuten später, dass ich jemanden holen soll. Wenn meine Mutter so was sagt, dann kann man sicher sein, dass es wirklich ernst ist! Ich lief raus und packte die nächste Schwester, die ich fand am Arm und zerrte sie mit in das Zimmer, in dem meine Mutter lag. In dem Moment dachte ich nicht mehr an meine Schüchternheit. Unter normalen Umständen hätte ich das niemals getan! Die Schwester meinte, ich sollte mich beruhigen und ging zu meiner Mutter. Es dauerte keine 20 Sekunden, als auch sie wieder aus dem Zimmer lief und binnen weiterer 20 Sekunden kamen mehrere Schwestern, Ärzte, das ganze Team eben! Endlich hatte man den Ernst der Lage erkannt! Elisabeth, Georg und ich warteten auf dem Flur und Elisabeth war auch so aufgeregt, dass sie den Getränkeautomat verfluchte, weil der nur alkoholfreies Bier anbot, obwohl sie zur Beruhigung nun ein „echtes“ Bier gebraucht hätte (obwohl sie damals eigentlich nie oder nur selten Alkohol trank). Es war eben ein echter Ausnahmezustand für uns alle. Zum Glück dauerte dieser jedoch nicht lange, denn schon nach 25 Minuten rief uns ein Arzt in das Zimmer und einige Schwestern verließen selbiges wieder mit einem ungläubigen Lächeln im Gesicht. 
Ich ging hinein und meine Mutter lag auf der Trage und hielt Sarah im Arm. Sie war bereits gewaschen und lag mit ihren damals schwarzen Haaren seelenruhig auf der Brust meiner Mutter, die sichtlich erleichtert war. Es war ein wirklich großer Moment, den ich nie vergessen werde und ich bekomme jetzt beim Schreiben noch Gänsehaut, wenn ich mich in diese Situation wieder hineinversetze. Wahnsinn! Nun war sie da, meine kleine Schwester! Und wie klein sie war (naja, nicht wirklich, aber für mich schon)! …und das, obwohl ich immer einen großen Bruder wollte, der mich beschützen konnte. Aber nun war ich ja alt genug. Zwei Wochen vorher wurde ich 17 Jahre alt und nun konnte ich sie beschützen, falls das überhaupt einmal notwendig wäre! Wir waren alle sehr gerührt und so fuhr ich mit Elisabeth und Georg wieder nach Hause, wo ich ganz alleine in unserer Wohnung saß und den ganzen Tag noch einmal an mir vorüberziehen ließ. Jetzt war auch Zeit, meine Oma einzuweihen, nur Rudi, dem Vater, durften wir auf ausdrücklichen Wunsch meiner Mutter nicht Bescheid sagen. Sie war jetzt stur und sagte, wenn er jetzt nicht da war und lieber auf seinem Hof ist, dann braucht er jetzt auch nicht mehr zu kommen! Tja, meine Mutter ist da manchmal etwas schwierig…

Mein Freund Stefan war meiner Mutter gegenüber sehr distanziert und er hatte auch keine Zeit, mich zu ihr ins Krankenhaus zu fahren. Er hatte wohl noch nie Kontakt zu den Eltern und Familien seiner Freundinnen und er mied ja auch seine eigene Familie wo es nur ging. Es dauerte lange, bis er mit meiner Mutter einmal mehr sprach, als das obligatorische „Hallo“, wenn er mich abholte oder mich besuchte. Stefan war total unsicher meiner Familie gegenüber, das war nicht zu übersehen. So fuhr mich also mein mittlerweile guter Kumpel Georg von der Brüterei zu meiner Mutter und meiner nagelneuen Schwester ins Krankenhaus, damit ich sie besuchen konnte. Als ich mit meiner Mutter an dem Schaufenster stand, hinter dem die Säuglinge lagen, sprachen einige frischgebackene Mütter darüber, dass es da eine Frau gab, die in nur 15 Minuten ihr Kind auf die Welt brachte und alle waren neidisch deswegen und erzählten von ihren 14 Stunden, die sie selbst in den Wehen lagen. Meine Mutter und ich sahen uns vielsagend an, lächelten und gingen schnell in ihr Zimmer, weil wir beide darüber laut lachen mussten. Einige Tage später kamen die beiden dann nach Hause. Schließlich übernahm diese freudige Nachricht dann meine Oma und rief Rudi auch gegen die Anweisungen meiner Mutter an, der sich natürlich gleich auf den 4-stündigen Weg zu uns machte. Natürlich änderte das Baby unser Leben total. Sarah schlief im Schlafzimmer bei meiner Mutter. Sie war aber sehr brav und schrie eigentlich nicht sehr viel. Ich ging öfter mit ihr spazieren. Anfangs schob ich immer den Kinderwagen und als sie dann etwas größer war, bestand ich auf so eine Baby-Trage-Vorrichtung, mit der man das Kind am Körper tragen konnte, damit sie mehr sehen konnte. Im Kinderwagen sehen die Babys ja gar nichts und ich sah ja überhaupt nicht ein, warum ich sie kilometerweit spazieren schieben soll, wenn sie doch eh bloß das Dach des Kinderwagens sieht! Einige Leute in unserer Stadt tuschelten natürlich, denn alle glaubten, dass sie meine Tochter ist. Wäre ja altersmäßig ohne Weiteres möglich gewesen mit 17 Jahren Unterschied! Ich kicherte immer nur still in mich hinein, wenn ich die Blicke der Leute sah und amüsierte mich darüber. Um ehrlich zu sein fühlte ich mich aber von Stefan schon etwas mit der Situation allein gelassen, weil er ja mit meiner Familie nichts zu tun haben wollte und für mich die Familie immer sehr wichtig war und ist. Leider hat sich das Verhältnis zwischen den wichtigsten Menschen in meinem Leben nie wirklich geändert. Scheinbar war die Enttäuschung über seine eigene Familie so groß, dass er von vornherein Vorurteile hatte und auch das Verhalten meiner Mutter manchmal auch nicht gerade zur Harmonie beigetragen hatte, aber das ist ein anderes Thema. Meine Mutter fuhr nun öfter mit Sarah über´s Wochenende zu Rudi nach Hessen. In der Zeit hatte ich die Wohnung dann immer für mich allein, aber das habe ich nie ausgenutzt, weil wir sowieso meistens bei Stefan zuhause waren. Meine Ma aber hatte diese postnatale Depression und weinte nach der Geburt sehr oft und war deprimiert und überfordert, obwohl ich schon versuchte, ihr zu helfen, sobald ich von der Arbeit nach Hause kam. Einmal schnautzte sie mich voll an, als sie wieder von Hessen zurück kehrte und sagte, dass es hier voll dreckig ist und ich ruhig einmal hätte aufräumen können! Das war einfach nicht fair, denn es war nicht dreckiger als vorher, als sie die Wohnung verlassen hatte. Keine Ahnung, was damals mit mir passiert ist, aber Tatsache ist, dass damals mein Putzfimmel angefangen hat (das hat Stefan beobachtet und mir Jahre später erzählt und damit hatte er auch Recht, denn mir selbst wäre das nie bewusst geworden). Von da an putzte ich immer wie verrückt die ganze Wohnung blitzeblank, sobald meine Mutter für ein paar Tage nach Hessen fuhr. Nie wieder wollte ich mir vorwerfen lassen, dass ich die Wohnung dreckig hinterlassen und ihr damit noch mehr Arbeit machen würde. Irgendwie kann ich es seitdem nicht ertragen, wenn die Wohnung schmutzig ist, bzw. muss meine Wohnung in meinen Augen dann schon längst geputzt werden, auch wenn andere das nicht so sehen. Es ist jetzt aber nicht so, dass ich übermäßig und ständig geputzt hätte und in den letzen Jahren hat es auch nachgelassen, aber ich putzte früher schon oft, zumindest war es immer sauber bei mir und von vielen Leuten, die uns besuchten, wurde mir immer wieder ein Putzzwang unterstellt. 

Einige Monate nach der Geburt von Sarah kaufte meine Mutter einen weiß-grau-getigerten Perserkater, den wir „Kimba“ tauften. Er war von Anfang an immer bei mir im Zimmer und schlief neben meinem Bett, wenn ich wochentags daheim übernachtete, um nicht so weit zur Arbeit zu haben. Dieser Kater wuchs mir im Laufe der Jahre so ans Herz, dass er zum wichtigstes Lebewesen für mich auf der Welt wurde und in schlechten Zeiten war er der einzige Grund, der mich nicht verzweifeln ließ. 19 Jahre wurde er alt, als ich ihn einschläfern lassen musste. Im Grunde waren mir Tiere schon immer viel näher als Menschen, da Tiere nicht falsch sind und wenn sie einem ihre Liebe zeigen, dann meinen sie das auch ehrlich. Es gab einige Momente in meinem Leben, in denen ich verzweifelt war, auf meiner Couch saß und weinte. Da kam Kimba oft rauf zu mir und legte sich neben oder auf mich. Es half schon alleine, seine Nähe zu fühlen. Wenn man jemanden trösten will, dann ist manchmal jedes Wort überflüssig, aber einfach da zu sein, ist so oft schon viel genug und das war er. In einigen Fällen kletterte Kimba auch auf mich und leckte mir mit seiner rauen Zunge die Tränen aus dem Gesicht. Kimba wurde für mich der engste Vertraute (wenn man mit Dingen zu tun hat, von denen keiner wissen soll, dann kann man manchmal ganz schön einsam sein) und er war mein bester Freund. Ich war sowieso schon immer eher der Katzen-Typ. Ich liebe zwar alle Tiere und Hunde auch sehr, aber wenn ein Hund zu einem kommt, dann macht er das, weil er so erzogen wurde oder weil er Leckerlis erwartet. Eine Katze kommt aber immer nur dann, wenn sie wirklich will. Katzen kann man eigentlich nicht zu erziehen, das habe ich schon als Kind bei Pascha feststellen müssen. Sie lassen sich nicht zähmen und trainieren wie Hunde. Katzen lassen sich ihren freien Willen nicht nehmen und das fasziniert mich so an diesen Tieren. Natürlich hat jedes einzelne Tier seinen eigenen Charakter und es gibt auch Hunde, die vieles aus freien Stücken tun, aber bei Kimba passte einfach alles. Er hatte den besten Charakter und einen besseren Gefährten für eine so lange Zeit hätte ich mir nicht wünschen können! Er gab mir auch das Gefühl, gebraucht zu werden und so hielt ich immer durch, egal wie aussichtslos und deprimierend manche Situationen auch gewesen sein mögen. Ich muss zugeben, dass mir auch heute so manches Mal ein Tier fehlt, vor allem dann, wenn die Seele so schwer ist. Seit ich Kimba einschläfern lassen musste, habe ich mir kein Haustier mehr angeschafft und erfreue mich nur noch an den Elstern, Spatzen und Meisen, die täglich unsere Terrasse besuchen. Aber das ist eben nicht dasselbe wie ein Haustier. 

Es änderte sich damals sehr viel in meinem Leben und manchmal kam es mir so vor, als ob nichts mehr von Dauer ist. Mein Leben verlief so rasant zu dieser Zeit und ich kam gefühlsmäßig kaum mehr hinterher. In der Zwischenzeit kam meine Freundin Christiane von unserem ehemaligen Mädchen-Stammtisch mit Jochen zusammen, ein älterer Typ, bei dem wir als 12- bis 13-jährige immer im Keller die Partys mitgefeiert haben. Mittlerweile war der aber voll auf Heroin und spritzte sich das Zeug, wann immer er konnte. Dementsprechend stürzte auch Christiane mit ihm ab, worüber ich sehr besorgt war! Abgesehen davon nahm sie auch ständig diese Rohypnol-Tabletten und war oft kaum mehr ansprechbar, wenn ich sie schwankend durch die Stadt gehen sah. Es war schlimm, zusehen zu müssen, wie sie sich veränderte. Früher war sie immer top gestylt und nun lief sie voll neben sich durch die Gegend und erkannte mich manchmal nicht mal mehr, so dicht war sie. Früher zogen wir sie immer auf, weil sie am Tag mindestens zweimal ihre Kleidung wechselte und jetzt lief sie in dreckigen Klamotten rum, die Jochen gehörten. Es war ein Jammer. Leider war auch nicht mit ihr zu reden. Sie sagte nur, dass sie schon weiß, dass das nicht gut ist für sie, aber sie will jetzt auch nichts daran ändern. Ich dachte so oft an sie und hatte keine Ahnung, wie ich ihr helfen könnte. Stefan hatte schon monatelang kein Heroin mehr angefasst, genau genommen, seit er mit mir zusammen war und damit hatte er die Entzugssymptome auch überstanden. An einem Tag im Sommer fuhren Stefan und ich zu Jochen und Christiane, weil Jochen etwas zu Rauchen haben wollte. Dafür gab er Stefan etwas Heroin. Auf dem Glastisch in seinem Wohnzimmer legte er ein paar Lines Heroin auf und hielt schließlich auch mir einen zusammengerollten Geldschein zum Schnupfen hin. Stefan meinte noch, dass ich das nicht machen muss, aber ich wollte es nun auch einmal ausprobieren. Ich hatte gerade so eine Phase, in der mir alles egal war, weil ich mit meinem Leben irgendwie überfordert war. Außerdem war ich ja immer noch der Meinung, dass ich nicht alt werden würde, weil ja der „Familienfluch“ schon dafür sorgen würde, dass ich früh sterben werde. Irgendwie habe ich das nie in Frage gestellt, was ich mir als Kind anhand der Familiengeschichten mit den vielen Selbstmorden, die mir meine Oma erzählte, so zurecht gelegt hatte. Wozu sollte ich mich dann also einschränken? Da mir sowieso ein früher Tod bevorstand, werden mir die negativen Seiten der Sucht, die sich erst mit der Zeit ergeben würden, ja erspart bleiben und so konnte ich die Zeit, die mir noch bleibt, genießen und alles ausprobieren, was es so gab auf der Welt! Tja, mit so einer Einstellung konnte das alles natürlich nicht gut gehen. Ich schnupfte also zum ersten Mal Heroin. Es schmeckte so seltsam, irgendwie bitter – ein ganz eigener Geschmack. Wir blieben zum Glück nicht lange bei Jochen und Christiane, die auch total zu auf der Couch lag und fuhren mit dem Auto zu Stefan heim. Die Fahrt dorthin kam mir unendlich lange vor. Ich habe mich gleich auf den Rücksitz gelegt, als wir aus Jochen´s Haus heraus kamen, weil meine Glieder so schwer wurden und ich mich so müde fühlte. Jetzt im nachhinein betrachtet war es fast so wie die eine Szene bei „Christiane F.“, dem Film, als sie nach dem Bowie-Konzert zum ersten Mal Heroin spritzte und auch auf dem Rücksitz im Auto mitfuhr und total dicht wurde. So lag ich auch da hinten drin und verdrehte die Augen. Stefan machte sich schon Sorgen um mich, aber ich fühlte mich nur noch gut. Es fühlte sich so an, als ob ich endlich angekommen wäre. Keine Schmerzen, keine negativen Gedanken, keine Sorgen, einfach gar nichts mehr. Ich nahm meinen besorgten Freund wie durch einen grauen Schleier wahr, aber es war mir egal. Zum ersten Mal im Leben konnte ich abschalten und fühlte mich nicht verantwortlich für die Sorgen und Zustände der anderen. Es gab nur noch mich allein und es ging mir so unendlich gut. Es war nicht so, dass ich gute Gefühle gehabt hätte, aber ich hatte keine schlechten mehr! Und das war für mich mehr als genug! An recht viel mehr kann ich mich nicht mehr erinnern, nur dass ich bei Stefan relativ schnell eingeschlafen bin. Am nächsten Tag war ich noch etwas wackelig auf den Beinen und ich konnte nun verstehen, wie es möglich war, dass Menschen für diese Droge so vieles aufgaben. Ich dachte mir noch kurz, dass es bei Alkohol vielleicht ähnlich ist. Immer schon wollte ich meinen Vater verstehen, der durch seinen Alkoholismus seine Ehe und damit unsere Familie zerstörte. Aber wirklich nachvollziehen konnte ich das erst Jahrzehnte später. Das war also mein erstes Erlebnis mit Heroin. Ständig hatte ich mir Sorgen um alle gemacht und mir den Kopf zerbrochen, was ich tun könnte, um sie davon los zu kriegen und jetzt habe ich es selber genommen! Ich wusste noch nicht, wo diese Reise enden würde, aber jetzt hatte ich mich darauf eingelassen.

Viele Grüße,
Becky


© Drogenweltblog 2011

5 Kommentare:

  1. ich hatte kurz schon hoffnung, diese elektro-stimulationsgeschichte klingt ja doch sehr gut. aber schon beim ersten teil, und spätestens dann in der mitte des zweiten, wurde mir klar, dass das hier nichts weiter als werbung ist. ein kurzer blick nach rechts... natürlich... ein banner der zu der nescure seite verlinkt ist. hätte ich das schon eher bemerkt, hätte ich mir die 20 minuten lesen auch sparen können. die wortwahl ist aber auch zu euphorisch, die versprechungen zu schön, die hoffnung die geweckt wird zu groß... hier wird mit den gefühlen von menschen gespielt, die ein problem haben, dass ihr leben bestimmt! ich hoffe dir/euch ist das klar! eure intention ist es mir jedenfalls, hier geht es um geld und um nichts anderes. wie überall, wo elektro-stimulation zu zwecken des opioidentzugs angepriesen wird. immer ist da einer, der 10 und mehr jahre opioide konsumiert hat, diverse entzugsmethoden probierte, natürlich erfolglos und immer unter grausamen physischen wie psychischen schmerzen, der dann auf eines dieser geräte gestoßen ist. eine elektrode da, eine da, von off auf on und die 10 und mehr jahre sucht sind vergessen. keine entzugssymptome, physisch wie psychisch, und alles easy-going. wissenschaftliche, auf evidenz basierte studien gibt es nicht, und schon allein das sollte dem denkenden mensch zu denken geben. aber das liegt natürlich an der drogenpolitik, die lieber instrumentalisiert, ausnutzt etc. ich hab diese methode nicht getestet und kann mir daher kein echtes urteil erlauben, allerdings fällt einfach auf, dass alle erfahrungsberichte auf dem gleichen schema basieren. friede, freude, eierkuchen. nur ein bisschen teuer ist das ganze, aber das ist ok, denn es lohnt sich. 2500 euro... ich habe keine lust, hier noch mehr zeit zu investieren, ich kann nur jedem, der hier droht, seiner hoffnung zu erliegen ans herz legen, kurz mal das kritische denken einzuschalten, sich weitergehend zu informieren, vor allem in foren zu recherchieren. und zu realisieren, dass ein opioidentzug gänzlich ohne die dazugehörigen symptome nicht möglich ist, egal wie viel man bezahlt. es gibt mittlerweile eine ganze reihe an medikamenten, die in die biochemischen prozesse beim entzug eingreifen und auf diese art jenem den schrecken nehmen. und diese medikamente werden von der kasse gezahlt. ein stationärer entzug in einer fast x-beliebigen (natürlich sollte trotzdem das umfeld usw. passen!) entzugsklinik ist ausreichend. auch für die zeit danach gibt es mittel und wege, dem suchtdruck aus dem weg zu gehen. bitte seht ein, dass das hier schwachsinn ist, marketing, werbung, nennt es wie ihr wollt. lasst euch nicht verführen, euch das geld aus der tasche ziehen. bitte denkt nach!

    an "becky" und "der hessische bajuware": ich gehe ja fest davon aus, dass mein kommentar gelöscht wird. sollte dies nicht der fall sein, spricht das schon für euch und ermöglicht eine weitergehende diskussion, in der ihr mich dann vielleicht doch überzeugen könnt, dass eure geschichte wahr ist. sollte es doch so laufen wie gedacht, lasst euch folgendes gesagt sein: ich sehe mir das hier nicht einfach untätig an. es gibt weitaus bessere wege, als hier ein kommentar zu veröffentlichen. ihr wisst selbst, dass das internet frei, offen zugänglich und im höchsten maße transparent ist. dementsprechend gibt es viele möglichkeiten, meine botschaft denen mitzuteilen, die hier landen und euch blind glauben. ich habe nicht vor, euch, und wer auch immer hinter euch sitzt, zu diffamieren. aber ich werde euch gegebenenfalls den boden unter den füßen nehmen! ihr könnt euch denken, wie so etwas funktioniert.

    mit freundlichem gruß

    ae

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    1. Hallo nochmal lieber anonymer ae,

      warum schreibst Du den gleichen Kommentar auch bei diesem Artikel? Willst Du uns absichtlich ans Bein pinkeln? Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Autobiographie meiner Freundin "Becky" und hat nun gar nichts zu tun mit Deiner Kritik bei dem Erfahrungsbericht. Dieser Teil des Buches von "Becky" ist ein Auszug von Ihrem Leben von vor 23 Jahren!!!

      Also schön langsam denke ICH mir meinen Teil und ich kenne Deine IP Adresse, zu dem Zeitpunkt als Du die Kommentare geschrieben hast und Du weißt ja wie das geht, jemanden (um in Deiner Wortwahl zu bleiben) den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Dann aber in anderer Form, nämlich vor Gericht, wegen Verleumdung!

      Aber wie Du siehst, wird bei uns KEIN einziger Kommentar nicht veröffentlicht oder gar gelöscht. Jeder darf seine Meinung äussern, aber uns nicht drohen. Und dieser Kommentar bei einem völlig anderen Thema....na ja.

      Trotzdem bin ich nach wie vor gerne bereit, mit Dir (in einem normalen Ton und niveauvoll) über alles zu diskutieren bzw. auszutauschen.
      Nur dadurch können wir unseren kleinen Anteil dazu beitragen, so vielen Opiatabhängigen wie nur möglich Infos zu geben und unsere Erfahrungen über 20 Jahre Opiatabhängigkeit weiterzugeben.

      Herzliche Grüße, DHB und Becky

      P.S. Wir würden uns echt sehr freuen, wenn Du Dich offiziell (also nicht anonym) melden würdest, um eine Diskussion zu führen.

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  2. An ae ich nehme an das du aus der Pharmalobby kommst,der unterwegs ist alles zu diffamieren was einem Opiatabhängigen helfen könnte. Eine langjährige Abhängigkeit zu bewältigen ist niemals ein "easy to going" auch wenn der Entzug durch moderne Mittel wesentlich leichter fällt ! Es gehört immer ein starker Wille dazu ! Es werden heute soviele gute Sachen unterdrückt, weil sie nicht in unsere Zinses Zins Politik passen ! Außerdem wie kann ich über etwas negativ schreiben wenn ich es selbst noch gar nicht getestet habe ? Du bist genauso ein Vollpfosten wie mein Substitutionsarzt !

    Gruß mk

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  3. Also tut mir ja leid, aber mir kommt das auch sehr werbemäßig vor. Es kann und darf ja auch alles Fiktion sein, was mich wirklich stört, abgesehen von o.g., ist, wie Becky sich als ach so guten Menschen darstellt, ist schon sehr dick aufgetragen.

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    1. Oh, das tut weh! Es ist leider alles weder Werbung noch Fiktion, sondern ich schildere nur, wie und was ich erlebt habe und – ja ich schäme mich ja jetzt auch dafür–ich habe mich damals tatsächlich als Gut-Mensch betrachtet! Und vielleicht möchte ich mich einfach nur rechtfertigen, weil ich später gar nicht mehr so gut war… Ich habe nur geschrieben, wie ich mich zu dem Zeitpunkt gefühlt und was ich erlebt habe; das ist teilweise nun schon fast 20 Jahre her. Seitdem ist sehr viel passiert und ich habe jetzt auch schon länger nicht mehr weiter geschrieben, denn eigentlich sollte das mal eine Geschichte über mein ganzes Leben werden (zumindest bis hier hin). Aber eben WEIL dieser Blog NICHT gewerbsmäßig betrieben wird, sondern einfach nur unser Hobby ist, hatten wir das letzte Jahr weder die Zeit, noch die Muse, um weiter von meinem Leben zu erzählen, bzw. Drogen-News zu recherchieren. Demnächst machen wir aber wieder weiter, zumindest habe ich schon einmal die Zeitungsartikel, die von mir meinen Freunden und Bekannten handeln und meine Gerichts-Akten sortiert. Abgesehen davon spielt es doch auch überhaupt keine Rolle, ob mir wer was glaubt oder nicht! Vielleicht ist man ja grundsätzlich bei Biographien skeptisch. Wir dachten nur, dass es ja sein könnte, dass irgendjemand aus meiner/unserer Geschichte etwas lernt, bzw. sich darin wieder erkennt und vielleicht den ein oder anderen Fehler nicht macht, den ich gemacht habe.

      Becky

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Vielen Dank für Deinen Kommentar!
*-- Becky --*