TomCAT - Der Weg vom ersten Joint bis hin zu Maden in den Abszessen meiner Gliedmaßen
Niemand,
der seinen ersten Joint raucht, rechnet je damit, dass er irgendwann einmal an
der Nadel hängen wird. So war das auch bei mir. Trotzdem hat es von dem
Zeitpunkt des ersten Joints bis zur Heroinabhängigkeit fast 10 Jahre gedauert.
Die Entwicklung war allerdings schleichend und ich habe erst einmal den
Verlockungen der Pharmaindustrie nicht widerstehen können.
Der
Übergang vom Codein zum Heroin war dann fließend und es wurde immer schwieriger
für mich, das nötige Geld für den Stoff aufzutreiben. Das war so die Zeit (ca.
1996), als das Methadonprogramm für jedermann zugänglich wurde. Zunächst
durften nur Leute mit schweren Krankheiten daran teilnehmen. Ich hatte damals
einen supercoolen Arzt, der heute leider nicht mehr praktiziert und der mein
Asthma zur tödlichen Seuche deklarierte und somit kam ich schon sehr früh in
das Programm, in dem ich jetzt bereits seit über 15 Jahren ununterbrochen bin.
Am
Anfang war es eine echte Erlösung, wenn man nicht mehr jeden Tag dem Stoff -
und zuerst dem Geld - hinterherlaufen muss, und dafür war ich diesem Arzt
unendlich dankbar. Ich habe ihm zum Geburtstag sogar ein Schlagzeug geschenkt,
weil das eines seiner Hobbys war. An einem Fallschirm für sein anderes Hobby habe
ich mich nicht herangetraut. Ich wollte nicht daran schuld sein, wenn er vom
Himmel fällt…!
Natürlich
war und ist die Aufnahme in das Methadonprogramm an eine Menge Auflagen gebunden,
die man einhalten muss. Der Konsum von anderen Drogen (Ausnahme THC = Cannabis)
ist verboten und man muss regelmäßig Urin abgeben, der auf sämtliche Substanzen
kontrolliert wird. Mindestens sechs Monate lang muss man jeden Tag zum Arzt und
das Zeug dort unter Aufsicht einnehmen. Es gibt Methadon meist flüssig, aber
auch in Tabletten-Form. Ich nehme die flüssige Variante, weil ich das schon so
lange gewohnt bin. Da ich zu dieser Zeit berufstätig war, hatte ich erhebliche
Probleme, das alles auf die Reihe zu bekommen, um dann noch pünktlich am
Arbeitsplatz erscheinen zu können. Es gilt schließlich auch, die Sprechzeiten
beim jeweiligen Arzt einzuhalten! Nach diesen sechs Monaten kann man dann – sofern
die Urinkontrolle ohne Beikonsum ist – das Methadon (bzw. das Rezept dafür) vom
Arzt immer für eine ganze Woche mitbekommen Das ist dann die sogenannte
„Take-Home-Dosis“. Früher war das Rezept für 7 Tage ausgestellt, aber heute
bekommt man die Rezepte nur noch für 6 Tage und das Methadon für den siebten
Tag muss man dann schon direkt in der Praxis einnehmen. Diese Regelung wurde
eingeführt, weil viele Leute, die das Methadon verkauft haben, gar nichts mehr
davon selbst genommen haben. Dadurch, dass sie einen Tag gezwungen sind, die
komplette Dosis zu schlucken, müssen sie dann auch den Rest der Woche Methadon konsumieren,
um Entzugserscheinungen zu vermeiden. So wollen die Ärzte den Schwarzmarkt an
Methadon eindämmen.
Natürlich
liegt man auch an der Kette, wenn man im Methadonprogramm ist. Ich hatte lange
Zeit das Glück, einen verständnisvollen Arzt zu haben und diesem bin ich auch
14 Jahre lang treu geblieben, bis er aufgehört hat zu praktizieren. Das kann
aber auch ganz anders laufen. Wenn man das Pech hat, bei einem Arzt oder noch
schlimmer bei einem Psychiater zu landen, der meint, er hätte die Weisheit mit
Löffeln gefressen, dann sollte man sich warm anziehen! Es gibt z. B. so einen Arzt
in der Eschersheimer Landstraße in Frankfurt. Der lässt Patienten mit Beikonsum
jeden Tag 2 Stunden in der Praxis warten, bis sie ihr Methadon bekommen.
Außerdem bewirft er jeden Patienten schriftlich mit Schmutz, der es wagt, zu einem
anderen Arzt zu wechseln. Als ob das noch nicht genug wäre, putzt er die Leute bei
jedem Besuch runter und lässt sich feiern wie ein Halbgott in weiß. Zum Glück
gibt es aber mittlerweile im Internet eine Bewertung für Ärzte, die man zu Rate
ziehen sollte, wenn man auf der Suche nach einem Substitutionsarzt ist. Das ist
aber – Gott sei Dank – eine Ausnahme, wobei es mir an Erfahrungen fehlt, was die
Ärzte außerhalb Frankfurts so treiben. Ich wäre also dankbar, wenn ihr mir eure
Erfahrungen mit Ärzten außerhalb von Frankfurt einmal schicken würdet (am
besten per Kommentar oder per E-Mail - siehe Kontakt).
Um
die Wirkung vom Methadon zu erhöhen, habe ich das Zeug auch häufig gespritzt.
Ich hatte das seltene Glück (Unglück?), einen Apotheker zu haben, der mir
entgegen den Anweisungen des Arztes das Methadon pur und in Pulverform
ausgehändigt hat! Wenn man sich Methadon so pur injiziert, so kann es mit der
Wirkung von chemisch reinem Morphium durchaus mithalten. Das gilt allerdings
nicht für das Methadon, welches man normalerweise in der Apotheke bekommt. Das
ist verdünnt und häufig mit Sirup versetzt, eben damit man es sich nicht
spritzen kann. So pur, wie ich das Methadon bekam, ließ sich das Zeug zwar ganz
leicht spritzen, aber dadurch, dass das Material chemisch so aggressiv ist,
habe ich Unmengen an Narben durch Abszesse und Nekrosen an Armen und Beinen
davongetragen, die mich wirklich entstellen. Außerdem habe ich mich auf diese
Art und Weise mit dem Methadon auf bis zu 400 mg am Tag hochdosiert und musste
daher noch illegal Methadon dazukaufen, um keinen Entzug zu bekommen, da mir
die ohnehin schon hohe Dosis vom Arzt irgendwann nicht mehr ausreichte. So war
ich zu diesem Zeitpunkt so weit wie vor dem Eintritt ins Methadonprogramm, nur
dass ich kein Heroin mehr gekauft habe, sondern stattdessen Methadon,
zusätzlich zu dem, welches ich vom Arzt verschrieben bekam.
Finanziell
hat mich das damals wenig gestört, weil ich zu diesem Zeitpunkt über genügend Geld
verfügte, aber die Wunden an meinen Beinen vom Spritzen wurden immer schlimmer.
Das tote Fleisch fing an zu riechen und zweimal hatte ich sogar ganz kurz Maden
in den Wunden, obwohl sie regelmäßig versorgt wurden! Irgendwie hat wohl doch
eine Fliege den Weg durch den Verband gefunden und in meine Wunde ihre Eier
abgelegt. Ich habe mich damals wirklich vor mir selbst geekelt! Die Sucht an
sich ist sowieso immer für jeden ein Leidensweg, aber sobald man sich das Zeug
injiziert, kann das Leid noch ganz andere Dimensionen annehmen…!
Durch
einen Gefängnisaufenthalt wurden meine Beine dann kuriert und seither trinke
ich mein Methadon, so wie es sein soll und lasse die Finger von Spritzen. Im
Methadonprogramm bin ich immer noch.
Für
viele Leute ist Methadon der erste Schritt zu einer cleanen Existenz, obwohl es
nicht bei vielen Menschen gelingt, sie schrittweise davon abzudosieren bis sie
schließlich auf Null sind. Es kann aber auch - wie in meinem Fall - eine langfristige
Unterstützung sein, um von illegalen Drogen und der sich daraus ergebenden
Kriminalität wegzukommen. Übrigens gibt es für Menschen, die lange Zeit von
Kokain abhängig waren, auch so eine Art Substitutionsmittel. Dazu wird Ritalin (Methylphenidat)
verwendet.
Viele
Grüße,
TomCAT
© Drogenweltblog 2011