Freitag, 23. September 2011

TomCAT: Brennpunkt Taunusanlage - So war es vor 20 Jahren

Es ist nicht so, dass die Taunusanlage die erste offene Drogenscene in Frankfurt war, sie ist vielmehr aus einer Abwanderungsbewegung von der vorherigen offenen Scene am ehemaligen Stadtbad Mitte, entstanden. Auch im Grüneburgpark in Ffm.-Bockenheim gab es schon lange vorher eine offene Szene, in der allerdings nur weiche Drogen gehandelt wurden.

Die Drogenscene in der Taunusanlage in Frankfurt / Main
Trotzdem war die Taunusanlage in Frankfurt lange Zeit die größte offene Drogenszene Europas, bis sie Ende 1992 geschlossen wurde. Hier wurde so gut wie alles gehandelt, was das Betäubungsmittelgesetz kennt, allerdings hauptsächlich Heroin und Koks. Crack war zu der Zeit noch nicht so weit verbreitet wie heute und Extasy (XTC) sowie Speed oder LSD wurden hauptsächlich in Discos verkauft.

Durch die Menschenmengen, die sich dort jeden Tag mit ihrem Tagesbedarf an Drogen eindeckten, entstanden sogar einige Arbeitsplätze. Es gab einen älteren Mann namens Willi, der seinen Verkaufswagen den ganzen Tag durch diesen Park zog und Dosengetränke und heiße Würstchen an Drogenleute verkaufte. Außerdem gab es immer eine gewisse Anzahl von „Service-Leuten“. Die haben dann - gegen einen geringen Anteil vom eben erstandenen Stoff - Spritzen, Zitrone (Ascorbinsäure), Nadeln und sauberes Wasser bereitgestellt. Damit konnte dann jeder direkt auf der Wiese nebenan seine Drogen konsumieren. Durch diese konzentrierte Scene gab es auch immer eine gewisse Selbstkontrolle und die Qualität der Drogen war zwar nicht umwerfend, aber einigermaßen gleich bleibend, was wohl eine Menge Drogentote verhindert hat. Auch für die Polizei war die Taunusanlage nicht die schlechteste Lösung. Die Drogenabhängigen waren dadurch aus dem Stadtbild und von den Straßen verschwunden und die Ladenbesitzer beschwerten sich nicht mehr wie früher.

Es gab aber zwei Dinge, die mochten weder die Polizei, noch die Stadt Frankfurt: Erstens war die Taunusanlage in Frankfurt inzwischen in ganz Deutschland bei Drogenabhängigen als Einkaufsparadies für Rauschmittel aller Art bekannt. Dann waren da zweitens noch die internationalen Banken, die an die Taunusanlage angrenzten. Banker und Junkies passen nun einmal nicht besonders gut zusammen. Da die Banken in Frankfurt eine Menge Macht haben, mussten die Junkies letztendlich weichen.

Seitdem geht die Entwicklung hin zu Druckräumen (Drogenkonsumräume) und kontrolliertem Konsum, was sicherlich auch eine Menge Vorteile hat. Frankfurt ist damit ein gutes Beispiel, wie man vernünftig und verantwortungsbewusst mit dem Drogenproblem umgehen kann, ohne davor die Augen zu verschließen oder eine extrem regressive Drogenpolitik zu betreiben, welche das Problem nicht löst, sondern eher noch verschlimmert, wie es in anderen Städten leider üblich ist.

In Druckräumen sind immer Ärzte greifbar und dort stimmt es auch mit der Hygiene! In so einem Druckraum bekommt jeder seine eigene Schale mit Spitzbesteck. In dieser Schale findet man einen Löffel und etwas Wasser zum Aufkochen der Drogen, Watte und Alkohol, um die Stelle, an der die Droge injiziert werden soll, zu säubern, Ascorbinsäure, um das Heroin aufzulösen, ein Gummiband zum Abbinden der Venen und schließlich noch eine neue Spritze. Die Drogen muss man sich allerdings selbst mitnehmen und es darf weder im Druckraum noch davor gedealt werden. 

Schale mit Spritzbesteck
Hygiene war übrigens auch noch so ein Grund, warum die Taunusanlage platt gemacht wurde. Wenn es geregnet hatte, stand man im Zentrum zentimetertief in einer Mischung aus Matsch, Urin und Blut. Auch die Gerüche waren dement-sprechend atemberaubend… 

Ich persönlich weine der Taunusanlage keine Träne nach, aber sie war wohl ein notwendiges Übel in einer Übergangszeit.

Viele Grüße,
TomCAT


© Drogenweltblog 2011

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*-- Becky --*