Dienstag, 30. August 2011

Becky - Wo ich her komme

Becky´s Story fängt an...

Um meine späteren Denkens- und Verhaltensweisen besser verstehen zu können, ist es vielleicht nötig, kurz zu beschreiben, wo ich her komme und wie ich aufgewachsen bin.

Von den Eltern väterlicherseits kann ich nicht so viel erzählen, da ich mit denen kaum Kontakt hatte, außer an Weihnachten für ein paar Stunden. Mein Großvater war Oberamtsrat und hielt sich immer für was Besseres. Dementsprechend streng war er auch bei der Erziehung seiner Kinder und wer nicht parierte, musste hart bestraft werden. Sie waren von Anfang an gegen die Beziehung meiner Eltern und so durfte es mich eigentlich gar nicht geben. Ich bekam das mein ganzes Leben lang zu spüren, dass ich eigentlich nicht richtig dazugehöre – und das auch dann nicht, als ich eigentlich ihnen zuliebe eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten in dem gleichen Landratsamt erfolgreich absolvierte, in dem auch mein Opa sein Leben lang tätig war. Wenn ich mal bei ihnen war, sagten sie oft: „Du bist ja auch unsere Enkelin“, so als ob sie sich das selber immer wieder klar machen mussten. Sie haben ihren einzigen Sohn, meinen Vater, nicht gerade gut behandelt, um genau zu sein, haben sie ihn misshandelt, nächtelang in den Keller gesperrt als kleines Kind, usw. Heutzutage würden sie echte Probleme mit dem Gesetz und dem Jugendamt kriegen, aber damals war das alles noch nicht so. Ich glaube auch, dass es in meiner Kindheit mit den Jugendämtern noch nicht so weit her war. Mein Vater hatte ein Leben lang darunter zu leiden und vieles, was passiert ist während er immer so betrunken war, war sicher auch daraus begründet, dass er auch keine heile Kindheit hatte. Wahrscheinlich war das auch der Grund seiner Alkoholkrankheit. Mein Vater starb an den Folgen seines Alkoholmissbrauchs 2008, mein Opa ein Jahr später und meine Oma letztes Jahr.

Meine Oma mütterlicherseits ist für mich eine der bewundernswertesten Frauen, die ich kenne, denn sie hat nie aufgegeben, obwohl sie in einer harten Zeit lebte mit zwei Kriegs- bzw. Nachkriegszeiten. Schon als Baby hatte mich meine Oma bei sich, da meine Eltern arbeiteten und als ich älter wurde, hat sie mich in den Kindergarten gebracht und später in die Schule. Bis ich ungefähr 13 Jahre alt war, kam ich jeden Mittag nach der Schule zu ihr zum Essen. Als Kleinkind wollte ich nie was essen, erst wenn sie mir "Frau Holle" erzählt hat, habe ich nachgegeben. Die Märchen wurden dann später von den Familiengeschichten abgelöst. Sie erzählte mir oft diese Geschichten, weil ich sie immer wieder darum gebeten habe. Zwar waren diese Geschehnisse im Nachhinein gesehen nicht gerade kindertauglich und brachten mich auch auf ganz seltsame Gedanken und Feststellungen, aber irgendwie haben mich die Storys fasziniert.

Oma wuchs im Erzgebirge in der ehemaligen DDR auf, nahe der Grenze zur Tschechei. Ihr Vater war Totengräber und ihre Mutter starb, als sie ca. 11 Jahre alt war an Gelbsucht und Nierenversagen. Ihr Vater heiratete wieder, aber mit der Stiefmutter kam sie gar nicht gut zurecht und so ging sie mit 14 Jahren von zu Hause weg in eine nahegelegene Stadt und schlug sich dort als Bedienung in Gaststätten durch. Dort lernte sie auch ihren späteren Mann kennen. Sie heirateten und bekamen zwei Kinder, meinen Onkel Josef und meine Tante Ingrid, die später meine Taufpatin wurde. Der Mann meiner Oma musste schließlich in den Krieg, wo sie oft länger keinen Brief von ihm bekam und nicht wusste, ob er noch lebte. So ging sie einestages zu einer Wahrsagerin, die einige Kilometer entfernt wohnte. Auf dem Weg dorthin wusch sie sich in einem Bach ihre Hände und verlor scheinbar dabei ihren Ehering. Bei der Wahrsagerin endlich angekommen, bemerkte sie erst den Verlust und die Hellseherin sagte ihr, sie solle auf dem Rückweg bei dem Bach nachsehen, da würde er liegen und ihr Mann lebt noch und komme bald nach Hause. Nun, beides traf so zu. Allerdings war ihr Mann schwer verwundet und lag dann lange im Krankenhaus, bevor er schließlich an seinen Kriegsverletzungen starb. An diesem Tag passierte wieder etwas Übersinnliches, das mir nie mehr aus dem Kopf ging: Es war Mittag und meine Oma kochte Kartoffelbrei auf einem Herd, der sehr hoch war (unerreichbar für die beiden Kinder) und er hatte am Rand auch eine Erhöhungen, damit die Töpfe nicht herunter rutschen konnten. Als es 12:30 Uhr war, fiel plötzlich dieser Topf mit Kartoffelbrei aus unerklärlichen Gründen vom Ofen auf den Boden. Und als sie dann ins Krankenhaus ging, um ihren Mann zu besuchen, wurde ihr gesagt, dass er um 12:30 Uhr gestorben ist!

Die Nachkriegszeit ohne Mann mit zwei Kindern war sehr hart und voller Entbehrungen. Sie erzählte was von einem Arbeitskollegen, der ihr Schäferhund-Fleisch zu essen anbot, weil es nichts anderes gab. Für uns ist es heutzutage unvorstellbar, wie es gewesen sein musste, damals gelebt zu haben. Jedenfalls hat meine Oma dann nie mehr geheiratet, aber im Laufe der Zeit hatte sie noch drei Männer, von denen sie jeweils ein Kind bekam, unter anderem meine Mutter. Man kann davon halten was man will, aber meine Oma hat die insgesamt fünf Kinder ganz allein groß gezogen und das ohne Unterhalt von den Vätern zu bekommen. Ich glaube, die Männer wollten das auch so und dadurch sind meine Tanten und auch meine Mutter ohne ihren Vater aufgewachsen, aber aus allen ist trotzdem etwas geworden. Sie sind gesellschaftlich und beruflich - der eine mehr, der andere weniger - erfolgreich und was viel wichtiger ist, charakterlich total in Ordnung.

Meinen Opa, den Vater meiner Mutter, hat meine Oma noch in der DDR kennengelernt und als meine Mutter 8 Jahre alt war, floh meine Oma samt ihren drei Kindern in den Westen. Meine Tante Ingrid wurde aber im Zug irgendwie erwischt und eingesperrt. Sie wurde erst wieder freigelassen, als meine Oma einen Arbeitsvertrag und eine Wohnung im Westen nachweisen konnte. So kam meine Oma nach München und fand dort auch eine Arbeit in einem Hotel, wo sie auch schlafen konnte. Von meiner Mutter wusste der Chef meiner Oma nichts und so musste sie sich tagsüber immer unter der Bettdecke verstecken und sich so leise wie möglich verhalten. Mein Onkel bekam eine Lehrstelle als Metzger in einer Stadt in der Nähe von München, wo meine Familie schließlich dann später alle gelebt haben und ich auch aufgewachsen bin.

In München lernte meine Oma dann den Mann kennen, welcher der Vater meiner Tante Elisabeth wurde und schließlich kam noch meine jüngste Tante Miriam zur Welt, mit der ich am meisten Kontakt hatte, weil sie nur 10 Jahre älter war, als ich. Sie musste mich im Teenie-Alter immer mitnehmen zu ihren Freundinnen, worüber sie nicht gerade sehr glücklich war. Aber mir hat es gefallen, denn ihre Freundinnen haben mir beigebracht, mit zwei Beinen Treppen zu steigen und ziemlich zur gleichen Zeit habe ich auch das Kartenspielen gelernt (9-erln und Watten). Als sie später nur noch Freunde hatte, die in einer Rocker-Gang waren, den „Vipers“, fand ich es auch cool. Ich war als ca. 6-jährige in ihrem kleinen Zimmer in der Wohnung meiner Oma oft mit den Rockern zusammen und sie haben mit mir Kissenschlacht oder sowas gemacht. Ich weiß noch, wie mein Onkel immer geschimpft hat: „Jetzt haschen die schon wieder! Die ganze Wohnung riecht danach!“ Tja, und ich mittendrin statt nur dabei…! Meine Tante Elisabeth nahm mich manchmal mit in den Zoo und unternahm auch sonst öfter was mit mir.

Meine Tante Ingrid war meine Taufpatin, obwohl sie es nicht werden wollte, denn sie war stark depressiv damals. Sie hatte mittlerweile vier Kinder und einen Mann, der sie nicht gerade gut behandelte. Als eines Tages das zweitjüngste Kind, mein Cousin, der wohl unter dem ADHS-Syndrom (Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung) litt und alle in den Wahnsinn trieb, vor lauter Übermut in eine geschlossene Glastür rannte, bekam er dabei eine Glasscherbe direkt ins Herz und war auf der Stelle tot. Anstatt Ingrid in der schweren Zeit zu unterstützen, gab ihr Ehemann ihr die Schuld an diesem tragischen Unfall. Sie wurde so depressiv, dass sie sich um die anderen Kinder nicht mehr kümmern konnte und eine Zeit lang auch in eine Nervenklinik musste. Dort wurde sie mit Medikamenten vollgepumpt, war kaum wiederzuerkennen und starrte nur noch aus dem Fenster. Kurz danach legte sie sich auf die Gleise und ließ sich von einem Zug überrollen. 

Das ist auch der Hauptgrund, warum ich eigentlich nie in eine Psychiatrische Klinik wollte, auch nicht, um einen Entzug zu machen. Ich halte daher von diesen Kliniken und den Medikamenten nicht viel. Versteht mich nicht falsch: Sicher hat sich im Gegensatz zu früher vieles geändert und diese Einrichtungen haben natürlich ihre Berechtigung und es gibt auch viele Menschen, denen es hilft, sich in eine psychiatrische Behandlung zu begeben, aber dennoch habe ich auch in meinem Bekanntenkreis die Erfahrung gemacht, dass Antidepressiva oft viel zu schnell verschrieben werden. Deshalb meide ich diese Anstalten, so gut es eben geht.

Selbstmord war in unserer Familie keine Seltenheit. Die Tante meiner Oma hat sich in einem Kornfeld erschossen und eine andere Verwandte hat sich im Speicher ihres Hauses erhängt. Selbstmord war auch deshalb sehr heikel, da wir alle mehr oder weniger – ich mehr - streng katholisch erzogen wurden und Selbstmord ja eine der Todsünden ist. Meine Oma sagte mir oft, dass ich der Ingrid so ähnlich bin in vielen Dingen. Aus irgendeinem Grund habe ich mir eingebildet, dass in jeder Generation in meiner Familie sich jemand das Leben nimmt, und dass ich die nächste bin. Ich habe mich viel mit Gedanken an den Tod beschäftigt. Das ist mein Schicksal, so dachte ich sehr lange und danach lebte ich dann später auch…, was viel mit meiner langjährigen Drogensucht zu tun hatte.

Liebe Grüße, 

Eure Becky

Fortsetzung folgt in Kürze….

© Drogenweltblog 2011

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*-- Becky --*