Mittwoch, 18. Januar 2012

Becky – Warum gibt es diesen Blog eigentlich?

Die Hintergründe dafür, dass ich meine Lebensgeschichte mit einer breiten Öffentlichkeit teile 

Ihr kennt mich nicht und ihr seht hier einen Blog, in dem unter anderem eine Ex-Drogensüchtige über ihr Leben berichtet. Denen, die das interessiert, wie es dazu kam, möchte ich es hier gerne erklären.

Eigentlich bin ich sehr menschenscheu und wirklich nicht der Typ, der jedem gleich seine Lebensgeschichte auf´s Auge drückt. Seelen-Striptease ist wirklich nicht mein Ding (darum scheute ich auch immer die ambulanten psychosozialen Drogentherapien). Nachdem ich nach 20-jähriger Sucht den Entzug bei NESCURE gemacht hatte und mich danach im Urlaub auf den Kanaren befand, gingen mir die ganzen letzen Jahre durch den Kopf und ich ließ alles noch einmal Revue passieren. Dabei kam mir der Gedanke, dass es vielleicht Menschen geben könnte, die aus meiner Geschichte irgendetwas lernen oder sich in irgendeiner Art und Weise wiederfinden könnten. Nachdem ich all meine persönlichen Desasters einigermaßen für mich verarbeitet hatte, kam die Wut. Ich dachte an meine Freunde und Bekannte, die an Drogen auf die ein oder andere Art gestorben sind und die sich umgebracht haben, weil sie ihre Sucht-Situation nicht mehr ertragen konnten. Hätten die doch nur auch diesen Entzug gemacht! Ich bin davon überzeugt, dass sie alle diesen Entzug dort geschafft hätten! So viele von ihnen könnten noch leben und ich hätte noch Freunde und keine Angst, mich auf neue einzulassen. Gut, mir wurde klar, dass ich die Vergangenheit nicht ändern kann, aber vielleicht ein ganz kleines bisschen die Zukunft!
 

Mir ließ der Umstand keine Ruhe mehr, dass diese hilfreiche Methode, von Drogen loszukommen, kaum bekannt ist! Hätte mich der Hessische Bajuware nicht davon überzeugt, dann hätte ich es bis heute nicht versucht und wäre immer noch voll dabei! Und der ist auch wiederum eher durch Zufall darauf gekommen. Da schon immer auch ein kleiner Rebell in mir steckt, gepaart mit dem Bedürfnis, Menschen zu helfen, bzw. mir Sorgen um sie zu machen, habe ich beschlossen, dass doch mehrere Leute erfahren sollten, dass es eine Entzugs-Methode gibt, die sogar mir als scheinbar hoffnungslosen Fall helfen konnte! Eine Methode, die nicht an irgendwelche dämliche Zwänge und Vorschriften gebunden ist, wie viele Therapien, die ich schon immer abgelehnt habe, und die vor allem nur so kurze Zeit in Anspruch nimmt und noch dazu nicht all zu viel Kraft kostet, weil man kaum Entzugserscheinungen spürt! Nun, die Toten kann ich nicht zurück holen, aber es gibt mit Sicherheit viele Drogensüchtige, die ich zwar nicht kenne, aber um die es auch ewig schade wäre, wenn sie daran zugrunde gehen würden, nur weil der Absprung auf konventionelle Art so verdammt schwer bis unmöglich ist!
 
Schließlich habe ich mich im Internet auf die Suche begeben nach Statements oder Berichten von den mittlerweile sicherlich schon vielen Menschen, die bereits mit dieser Methode entzogen haben und ich habe da – außer den Erfahrungsberichten auf der Seite von NESCURE selbst oder der Schweizer Seite – nichts gefunden! Alle, die den Entzug mit uns durchgezogen haben, waren davon total überrascht und begeistert und ich fragte mich natürlich, warum da nichts im Netz darüber zu finden ist. Ich glaube, dass alle, die ihre Drogenzeit durch diesen Entzug hinter sich gelassen haben, nichts mehr davon wissen wollen. Sie sind viel zu beschäftigt damit, endlich ihr Leben zu leben und wieder in Ordnung zu bringen und wollen sich natürlich nicht auch noch im Nachhinein als Ex-Drogensüchtige outen. Sie wollen sich damit einfach nicht mehr beschäftigen, denn sie haben ihr Interview und ihre Meinung ja bei NESCURE bereits abgegeben (die meisten anonym) und wollen nun ihr Drogenleben davor vergessen. Das ist ja auch mehr als verständlich! Die Anonymität hilft mir hier ja auch, um so offen über mein Leben schreiben zu können und ich tue es irgendwie auch für mich selbst, um das alles endgültig verarbeiten zu können. Außerdem war ich auch noch nie der „Nach-mir-die-Sintflut-Typ“ und ich kann eben auch nicht aus meiner Haut…
 

Logischerweise ist mir schon klar, dass das hier nicht jeder glauben wird oder sich das vorstellen kann (konnte ich ja auch viel zu lange nicht), aber zumindest kann ich meine Erfahrungen mit der NESCURE-Methode hier bekannt machen und vielleicht kann der ein oder andere durch meine Geschichte auch ein neues Leben anfangen! Das ist auch der Grund dafür, dass ich meine fast letzte Geschichte jetzt schon veröffentlicht habe, da für Manche jeder Tag zählt! Verdammt, es gibt etwas, das vielen helfen kann und kaum einer weiß davon! Was in meiner Möglichkeit steht, möchte ich tun, um diesen Umstand zu ändern, damit immer mehr von dieser Entzugsmethode erfahren und sich hoffentlich auch viele darauf einlassen. Scheiß auf den Staat! Scheiß auf die Pharma-Lobby! Scheiß auf Entzugskliniken! Wir (Ex-) Süchtige und Drogenkonsumenten müssen doch zusammen halten! Und wer weiß? Vielleicht gibt es irgendwann einmal den Zeitpunkt, an dem das auch die Krankenkassen einsehen und dafür bezahlen. Je populärer die NES-Entzugs-Methode wird und je mehr Leute das in Anspruch nehmen, desto größer ist die Chance, dass auch die Krankenkassen irgendwann nicht mehr an der neuro-elektrischen Stimulation vorbeikommen! So, jetzt kennt ihr alle Hintergründe. Ich bin ein ehrlicher Mensch und ich schreibe hier lediglich meine Erfahrungen und alles, was ich im Laufe der Zeit bei meinen Freunden und Bekannten beobachtet habe, in der Hoffnung, dass jemand etwas damit anfangen kann und selbst, wenn nicht, dann ist es hoffentlich wenigstens unterhaltsam…

… und nun noch ein Zitat in eigener Sache, das ich mein Leben lang schon so gut finde, dass ich es unbedingt hier einmal einbringen möchte:

„Es ist ein unerträglicher, ja verbrecherischer Hochmut, wenn ein Mensch über die Existenz eines anderen Menschen sagt, sie sei sinnvoll oder sie sei sinnlos.
 
Niemals werden wir verwirrten, ohnmächtigen Wesen, die wir auf der Erde herumkriechen, das entscheiden können.
 
Und niemals werden wir wissen, welche Bedeutung, welche unerhörte Bedeutung – sogar oder gerade – ein Mensch in seiner tiefsten Erbärmlichkeit haben kann.“ 

von Johannes Mario Simmel

Liebe Grüße,
Becky 


© Drogenweltblog 2012

4 Kommentare:

  1. Hallo Becky, hallo hessischer Bajuware (wie kam es eigentlich zu dem Pseudonym?)
    Ich habe heute eher zufällig euren Blog entdeckt. Zufällig, weil ich selbst keine Probleme mit chemischen Drogen habe - ich konsumiere seit 6 Jahren Cannabis, was sich aber bisher nicht zu einem Problem entwickelt hat. Ansonsten hatte ich bisher keinerlei Bedürfnisse, weiter drogentechnisch herumzuexperimentieren (obwohl mein gesamter Freundeskreis von den kleinen Kiffern zu den Partydrogenkonsumenten wird, was mir sehr misfällt, aber sie sind alle alt genug und ich kann es ihnen nicht verbieten(zwei von ihnen haben schon geäußert, dass sie H ausprobieren wollen, aber natürlich nur einmalig - geht sowas überhaupt? Ich als Laie sage ja nein, was sagt ihr dazu?). Meiner Freundin allerdings habe ich angedroht, sie zu verlassen, als sie den Wunsch geäußert hat, MDMA auszuprobieren. Ich weiß selber nicht genau, warum ich da so verdammt strikt gegen bin, vielleicht (ich weiß es aber nicht) weil ich meine sehr schnell süchtig werden zu können, vielleicht ist es eine Art selbstschutz.

    Aber ich trinke gerne. Zu gerne. Es gab Monate, da habe ich täglich getrunken, nun habe ich es runtergefahren aus Angst vor Abhängigkeit. Körperlich bin ich noch nicht abhängig, aber psychisch... in Gesellschaft brauche ich den Alkohol, um locker zu werden und es gibt nichts besseres gegen Langeweile, als sich zu betrinken. Ich wohne mit meiner Freundin zusammen und trinke öfters heimlich. Öfters, das heißt ca. 1x die Woche. Klingt nicht viel, aber allein die Heimlichkeiten. Und wenn meine Freundin mal über Nacht nicht zuhause ist (wir wohnen zusammen) freue ich mich jedesmal, denn es bedeutet, ich kann trinken, soviel ich will ohne mich rechtfertigen zu müssen. Alleine.
    Ich bin vielleicht noch kein "echter" Alkoholiker, aber ich gehöre definitiv zur Risikogruppe und der Schritt zur körperlichen Abhängigkeit wäre nicht mehr weit.
    Ich weiß gerade ehrlichgesagt gar nicht, worauf ich hinauswill. Nur, dass ich euren Blog gerade verschlinge und sogar fast schon durch bin. Und das, obwohl ich mich mit Heroin, Methadon, etc pp nicht identifizieren kann. Dafür aber kann ich wahrlich mitfühlen, besonders bei dir Becky; deine Art zu schreiben und deine Erfahrungen zu schildern ist einfach mitreissend! (Du könntest aber vielleicht auf ein Ausrufezeichen hier und da verzichten ;p)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo!
      Also, es freut mich sehr, dass dir meine Art zu schreiben und meine Geschichten gefallen! (Oh, hoppala, schon wieder ein Ausrufezeichen!;-), danke für den Hinweis).
      Ich kenne das sehr gut, dass es nicht einfach ist, zuzusehen, wie die Freunde drogenabhängig werden, bzw. evtl. auf dem Weg dorthin sind. Wenn ich so zurückdenke, dann sind in meinem Freundeskreis damals nur diejenigen drogenfrei, bzw. ohne Abhängigkeiten geblieben, die früher schon immer sehr direkt gesagt haben, dass sie mit Drogen nichts zu tun haben wollen und dadurch auch nichts mehr mit den Leuten, die Drogen nehmen. Das fand man zwar im jugendlichen Alter noch uncool, aber im Nachhinein betrachtet, haben die das genau richtig gemacht. Es ist zu frustrierend, jemandem helfen zu wollen, der sich nicht helfen lassen will und wenn man psychisch nicht total stabil ist, passiert es ganz schnell, dass man selber mit in den Sumpf gerät.
      Ich finde deinen Selbstschutz sehr gesund für dich. Jedoch zeigt ja schon deine Angst und Zweifel und die Tatsache, dass du ein schlechtes Gewissen hast, wenn du trinkst, dass es zum Problem werden könnte, bzw. schon eines ist. Natürlich ist es noch nicht alamierend, wenn man einmal pro Woche trinkt, aber es hört sich schon so an, als wärst du psychisch schon sehr abhängig vom Alkohol, sonst würdest du nicht heimlich trinken und die Zeiten dafür planen, bzw. ausnutzen... Die Regelmäßigkeit ist das gefährliche! Es gibt ja so viele Arten von Alkoholismus (Quartals-Säufer, Spiegel-Trinker, usw.).
      Also, aus meiner Erfahrung kann ich nur sagen, dass man natürlich einmal eine Droge (H oder MDMA) ausprobieren kann, aber das ist bei den allermeisten Leuten der Einstieg in die Sucht gewesen und wenn die Erfahrung mit der Droge vermeintlich gut war, dann ist man auch schon nach dem ersten Mal psychisch abhängig, weil man das anfangs gute Gefühl (gut empfindet man Drogen ja nur am Anfang) wieder haben will. Und schon hat man es ständig im Kopf, im schlimmsten Fall bis zum Ende des Lebens. Pass auf dich auf, vor allem wegen dem Alkohol und bleib - was andere Drogen angeht - ruhig bei deiner persönlichen Anti-Einstellung!
      Becky

      Löschen
  2. PS: Mich würde sehr interessieren, wie es zu deinem Alkoholismus kam, Becky. Ich habe (meine ich) all deine Artikel bereits gelesen und irgendwie hieß es ja zu Beginn du hättest relativ wenig getrunken, und konntest dir nie vorstellen, in den Alkohol zu flüchten, besonders durch das "schlechte Vorbild" deines Vaters, was den Alkohol betraf. Und plötzlich heißt es, du bist Alkoholikerin und trinkst einen Liter Vodka am Tag... Entweder ich habe den Artikel versehentlich übersprungen, oder du hast tatsächlich nichts dazu geschrieben.
    PPS: Ich hoffe ihr seid überhaupt noch aktiv tätig, laut Archiv wurden 2012 nicht sonderlich viele Artikel veröffentlicht und jetzt 2013 ja noch gar nicht. Würde mich wirklich sehr sehr über neue Artikel freuen.
    PPPS: Ich bin ein bisschen angetrunken, hoffentlich ergibt das alles morgen auch noch einen Sinn :D

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo!
      Einen Artikel übersprungen hast du versehentlich nicht; da kann ich dich beruhigen! Die Geschichte, wie ich zur Alkoholikerin wurde, habe ich noch nicht geschrieben. Aber in kurzen Worten: der Alkoholismus hat sich eingeschlichen, während ich in der Substitution von Methadon auf Subutex umgestellt wurde.
      Sorry, du hast vollkommen recht, dass wir das letzte Jahr und auch dieses den Blog ziemlich schleifen ließen, aber es ist in unserem Leben einfach so viel passiert, dass wir weder die Zeit, noch die Muse dazu hatten, weiter Geschichten über unsere Vergangenheit zu schreiben, weil wir einfach zu viel mit der Gegenwart zu tun hatten/haben. Trotzdem haben wir uns aber fest vorgenommen, demnächst wieder weiter zu schreiben. Es gibt ja noch so vieles, was wir erlebt haben!
      Also, wenn es dich interessiert, einfach ab und zu wieder mal vorbeischauen! ;-)
      Becky

      Löschen

Vielen Dank für Deinen Kommentar!
*-- Becky --*